Der freie Wille im Strafrecht

Wie nahe strafrechtliche Urteile bei Jahrhunderte alten Problemstellungen in der Philosophie bewegen, erkennt man immer dann, wenn sich Richter mit der Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für eigenes Tun oder Unterlassen befassen müssen. In einem neuen Urteil des Bundesgerichts (BGer 6B_90/2015 vom 23.07.2015) stellte sich die Frage im Zusammenhang mit strafbaren Vorbereitungshandlungen zu einer Straftat, die dann nicht durchgeführt wurde (Art. 260bis Abs. 2 StGB).

Im fraglichen Fall war für das Bundesgericht erstellt, dass der Beschwerdeführer nicht von sich aus zur besseren Einsicht gelangte, die Tat nicht auszuführen. Der Beschwerdeführer hatte mit einer in BGE 132 IV 127 publizierten Praxisänderung argumentiert, wonach Art. 260bis Abs. 2 StGB zur Anwendung kommt, sobald der Täter aus eigenem Antrieb von seinem Deliktsplan Abstand nimmt, unabhängig vom Vorbereitungsstadium, aber vor Beginn der Ausführung der beabsichtigten strafbaren Handlung. Genau dies hat das Bundesgericht im oben zitierten neuen Entscheid verneint:

Dass der Raub nicht ausgeführt wurde, ist darauf zurückzuführen, dass Y. aufgrund der im Zusammenhang mit Drogenvergehen erfolgten Verhaftungswelle im Umfeld des Beschwerdeführers nicht mehr dazu bereit war, was aus den abgehörten Telefongesprächen klar hervorgeht. Y. wäre bei der Ausführung der geplanten Tat der wichtigste Täter gewesen. Der Beschwerdeführer war allein nicht in der Lage, den Raub zu verüben. Es war somit nicht ein inneres, auf eine Risikoeinschätzung bezogenes Motiv, das ihn dazu bewog, den Raub nicht auszuführen. Vielmehr handelte es sich dabei um einen vom Willen des Beschwerdeführers losgelösten äusseren Umstand, nämlich das Ausscheiden von Y. Der Beschwerdeführer entschied sich gezwungen durch äussere Gegebenheiten zur Aufgabe des Raubplanes und gelangte demnach nicht von sich aus zu einer besseren Einsicht (E. 1.5, Hervorhebungen durch mich).

Und die Lehre daraus? Bei der ersten Aussage klarstellen, dass man aus eigenem Antrieb von seinem Plan Abstand genommen hat. Das müsste man allerdings bei der ersten Aussage dann auch wissen.