Der Geschädigte bleibt ohne Beschwerderecht

In einem zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehenen Entscheid hält das Bundesgericht an seiner auf Kritik gestossenen Rechtsprechung (BGE 133 IV 228) fest, wonach der Geschädigte nach Art. 81 BGG grundsätzlich nicht berechtigt  sei, ein freisprechendes Urteil im Schuldpunkt ans Bundesgericht weiterzuziehen (BGE 6B_540/2009 vom 22.10.2009):

Die Legitimation des Geschädigten zur Beschwerde in Strafsachen im Schuldpunkt lässt sich nicht auf die Generalklausel des „rechtlich geschützten Interesses“ an der Aufhebung oder Änderung des Entscheids stützen. Der Geschädigte hat an der strafrechtlichen Verfolgung und Verurteilung des Beschuldigten nur ein tatsächliches beziehungsweise mittelbares, aber kein rechtlich geschütztes Interesse, da der Strafanspruch allein dem Staat zusteht. Daher war der Geschädigte nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts zum früheren Verfahrensrecht mangels eines rechtlich geschützten Interesses im Sinne von Art. 88 OG nicht zur staatsrechtlichen Beschwerde etwa wegen willkürlicher Beweiswürdigung legitimiert (siehe BGE 131 I 455 E. 1.2.1; 128 I 218 E. 1.1; 120 Ia 157 E. 2a/aa, je mit Hinweisen), obschon der Entscheid des Strafrichters gerade hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellungen für den Zivilrichter massgebend sein kann, wie sich aus Art. 53 OR e contrario ergibt. Die Generalklausel des „rechtlich geschützten Interesses“ im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG knüpft an die frühere Regelung in Art. 88 OG an. Die Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege hält ausdrücklich fest, dass die materielle Voraussetzung eines rechtlich geschützten Interesses der heutigen Rechtslage entspreche (BBl 2001 4202 ff., 4318). Der Geschädigte ist somit im Schuldpunkt mangels eines rechtlich geschützten Interesses im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG nicht zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, so wie er insoweit nach dem früheren Recht weder zur staatsrechtlichen Beschwerde noch zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert war. Dies gilt entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht nur, wenn sich die Beschwerde gegen einen Nichteröffnungs- oder Einstellungsbeschluss richtet, sondern auch, wenn ein freisprechendes Urteil Gegenstand der Beschwerde bildet. Der Geschädigte kann somit einen freisprechenden oder das Verfahren einstellenden Entscheid nicht mittels Beschwerde in Strafsachen anfechten etwa mit der Begründung, dass die Vorinstanz die Beweise willkürlich gewürdigt oder ein Tatbestandsmerkmal zu Unrecht verneint habe (E. 1.7.2).

Das Bundesgericht stellt allerdings auch klar, dass der Geschädigte je nach Rüge durchaus zur Beschwerde legitimiert sein kann, nämlich wenn seine Parteirechte verletzt wurden, sowie bezüglich seiner Zivilansprüchen und in Einziehungsfragen:

Der Geschädigte kann mit der Beschwerde in Strafsachen – wie vormals mit der staatsrechtlichen Beschwerde gestützt auf den früheren Art. 88 OG (siehe dazu BGE 131 I 455 E. 1.2.1) – die Verletzung von Rechten rügen, die ihm als am Verfahren beteiligte Partei nach dem massgebenden Prozessrecht oder unmittelbar aufgrund der BV oder der EMRK zustehen. Insoweit hat der Geschädigte ein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG (Urteile 1B_134/2008 vom 18. August 2008 E. 1.2; 6B_686/2007 vom 21. Februar 2008 E. 3). Ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des Entscheids hat der Geschädigte auch im Zivilpunkt, falls insoweit die Beschwerde in Strafsachen überhaupt zur Verfügung steht, was gemäss Art. 78 Abs. 2 lit. a BGG davon abhängt, ob die Zivilansprüche zusammen mit der Strafsache zu behandeln sind. Ferner hat der Geschädigte ein rechtlich geschütztes Interesse, soweit es gemäss Art. 73 StGB um die Verwendung von eingezogenen Vermögenswerten zu seinen Gunsten geht (Urteil 1B_212/2007 vom 12. März 2008 E. 1.4) (E. 1.9).

Ich zweifle daran, ob diese Rechtsprechung tatsächlich mit dem Willen des Gesetzgebers übereinstimmt. Ich bin aber ganz sicher, dass sie rechtspolitisch richtig ist. Es ist der Staat, der den Strafanspruch durchzusetzen hat. Jede Abweichung von diesem Grundsatz erscheint mir als fragwürdig. Geschädigte (inkl. Opfer) haben ihre Rechte m.E.  grundsätzlich auf dem Zivilweg durchzusetzen. Diese Auffassung ist zwar höchst unmodern, aber in der Regel für alle Beteiligten weniger belastend.