Der Richter als Schatzmeister

Ab und zu erhält man den Eindruck, die wichtigste Aufgabe eines Strafrichters sei die Wahrung der Finanzinteressen des Kantons. Ein Beispiel stellt der Sachverhalt dar, der nun zum zweiten Mal Gegenstand eines Urteils des Bundesgerichts wurde (BGer 1B_286/2012 vom 19.11.2012; zum ersten Entscheid s. BGer 1B_278/2011 vom 13.01.2012). Seit über einem Jahr wird eine von der Ehefrau des im Vollzug befindlichen Beschuldigten geleistete Sicherheitsleistung zu Unrecht zurückbehalten (vgl. Art. 239 StPO), dies teilweise mit abenteuerlichen und widersprüchlichen Begründungen.

Der blosse Umstand, das diese Freiheitsentziehung im Rahmen des (ordentlichen) Strafvollzuges für rechtskräftig gefällte Sanktionen erfolgt, ändert daran nichts. Die zusätzliche Aufrechterhaltung einer Sicherheitsleistung (als “Ersatzmassnahme” für eine den Verfahrenszweck bereits ausreichend sichernde Freiheitsentziehung) erscheint sachlich nicht notwendig und erweist sich als unverhältnismässig und gesetzwidrig (Art. 36 Abs. 3 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 und Art. 26 f. BV; Art. 197 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 i.V.m. Art. 239 Abs. 1 StPO) [E. 7.2].

Die Vorinstanz brachte dann auch noch ein Verrechnungsrecht  ins Spiel, was das Bundesgericht aber zu Recht verwirft.

Zwar möchte die Vorinstanz noch Verfahrenskosten und eine Ersatzforderung (gegenüber dem Verurteilten) verrechnungsweise in Abzug bringen und der Beschwerdeführerin (von der geleisteten Barkaution) nur einen reduzierten Betrag von Fr. 216’767.70 rücküberweisen. Für einen solchen Abzug besteht jedoch keine gesetzliche Grundlage. Die StPO sieht nur für Kautionen, die von der beschuldigten Person geleistet wurden, vor, dass sie zur Deckung von Geldstrafen, Bussen, Kosten und Entschädigungen, die der beschuldigten Person auferlegt worden sind, verwendet werden können (Art. 239 Abs. 2 StPO). Allfällige verrechenbare Forderungen (im Sinne von Art. 120 ff. OR) gegenüber der Beschwerdeführerin, etwa Einziehungsansprüche oder staatliche Ersatzforderungen (Art. 69-71 StGB), macht die Vorinstanz nicht geltend. Staatliche Forderungen gegenüber Dritten, etwa dem strafrechtlich Verurteilten, können mit dem der Beschwerdeführerin persönlich zustehenden gesetzlichen Freigabe- bzw. Rückvergütungsanspruch nicht “verrechnet” werden (vgl. BGE 135 I 63E. 4 S. 68-70; Art. 239 Abs. 2 StPO). Dies gilt namentlich für Verfahrenskostenauflagen oder staatliche Ersatzforderungen gegenüber der verurteilten Person (E. 7.5.2).

Das Bundesgericht kassiert den Entscheid und weist ihn an die Vorinstanz zurück  “zur unverzüglichen Freigabe der Sicherheitsleistung”. Die Parteienschädigung erhöht es gegenüber dem letzten Entscheid um 50% auf CHF 3,000.00..