Der Richter und der Gutachter
Im Gegensatz zu meinem letzten Beitrag kann es sich durchaus lohnen, am Gutachten vorbei zu argumentieren (BGer 6B_424/2015 vom 04.12.2015).
Das Bundesgericht kassiert ein Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, das sich zu wenig kritisch mit einem Gutachten auseinandergesetzt hat, obwohl der Beschwerdeführer das Gutachten kritisiert hatte:
Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Gutachten findet im angefochtenen Entscheid nicht statt. Auf die Kritik des Beschwerdeführers namentlich zur (fehlenden) Überprüf- und Nachvollziehbarkeit der erstellten Legalprognose im Zusammenhang mit den angewandten Prognoseinstrumenten geht sie nicht ein. Sie stellt sich insofern auf den Standpunkt, die „vom Beschwerdeführer angeführte Diskussion“ zur Validität von Prognoseinstrumenten bzw. deren Tauglichkeit für die Beurteilung möglicher Rückfälle „sei nicht auf dieser Stufe zu führen“ (…). Die Vorinstanz verkennt damit, dass ein Gericht die gutachterliche Beurteilungsgrundlage umfassend auf ihre Nachvollziehbarkeit hin überprüfen muss, wobei es – insbesondere bei Vorliegen entsprechender Rügen – im Urteil sorgfältig und klar darzulegen hat, warum es einem Sachverständigen folgt oder auch nicht folgt. Diesen Anforderungen wird der angefochtene Entscheid nicht gerecht (E. 3.1).
Es folgen zahlreiche Hinweise, welche der Richter bei der Plausibilisierung eines Gutachtens zu befolgen hat.