Der Staat verschafft sich das “nötige Drohpotential”
Das EJPD eröffnet die Vernehmlassung zur “Harmonisierung der Strafrahmen”. Erstmals sollen die Strafbestimmungen des Besonderen Teils auf ihre Kohärenz hin überprüft werden. Laut Medienrohstoff soll das Verhältnis zwischen dem Wert des geschützten Rechtsguts und dem Strafrahmen überprüft und – wo notwendig – angepasst werden:
Wo die angedrohte Strafe nicht dem Wert des geschützten Rechtsgutes entspricht, soll das Missverhältnis korrigiert und der Strafrahmen entsprechend angepasst werden.
Das Ergebnis dieser zum Scheitern verurteilten Prüfung ist eine Serie von neuen (höheren) Strafrahmen.
Die vorgeschlagene Revision des Besonderen Teils ist auch im Zusammenhang mit dem neuen (bzw. alten) Sanktionensystem des Allgemeinen Teils des StGB zu beurteilen, das am 30. Juni vorgestellt wurde (vgl. dazu meinen früheren Beitrag). Mit den beiden Vorlagen will der Staat den verloren geglaubten Respekt zurückgewinnen und die präventive Wirkung des Strafrechts verstärken. Strafen sollen gemäss Medienrohstoff wieder das “nötige Drohpotential” erhalten.
Und wer hat’s erfunden bzw. wer ist an allem Schuld? Gemäss Medienmitteilung die Richter:
Die Diskussion um die Strafrahmen kann nicht losgelöst von der Gerichtspraxis geführt werden. Wenn nämlich die angedrohten Strafen in keinem ausgewogenen Verhältnis zu den verhängten Strafen stehen, verliert das Strafrecht an Glaubwürdigkeit und an präventiver Wirkung. Bei der Erarbeitung des Vorentwurfs wurden deshalb die statistischen Angaben zu den Verurteilungen von erwachsenen Personen in der Zeitperiode von 1984 bis 2006 berücksichtigt. Es zeigte sich, dass sich die ausgesprochenen Strafen – abgesehen von einzelnen Delikten – nur selten in der oberen Hälfte des Strafrahmens befinden und meistens weit unter dieser Grenze liegen.
Und so sieht das Ganze konkret aus:
- Vorentwurf Bundesgesetz über die Harmonisierung der Strafrahmen im Strafgesetzbuch, im Militärstrafgesetz und im Nebenstrafrecht (52 Seiten) und Erläuternder Bericht (67 Seiten)
- Vorentwurf Schweizerisches Strafgesetzbuch und Militärstrafgesetz (Änderungen des Sanktionenrechts) und Erläuternder Bericht.
Auf der Strecke bleiben vor lauter populistischen Aktionismus’ die Erkenntnisse über den Sinn des Strafens.
Man könnte aus der Beobachtung dass sich die Urteile im Schnitt innerhalb der unteren Hälfte des Strafrahmens liegen auch den gegenteiligen Schluss ziehen, dass dieser Rahmen in vielen Fällen zu hoch gespannt sei!
Schlussendlich gibt das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung den tatsächlich anzuwendenden Strafrahmen vor. Ein Richter einer unteren Instanz hat also gar nicht die Möglichkeit den Strafrahmen auszunutzen, er würde vom Bundesgericht subito zurückgepfiffen. Es handelt sich hier nur um ein Scheinermessen in engem Rahmen. Daran würden auch höhere Strafandrohungen nichts ändern.