Der Staatsanwalt als Strafverteidiger

Manchmal übernehmen Staatsanwälte auch die Rolle der Verteidigung und beweisen, dass sie selbst darin besser sind als Strafverteidiger. Das ist etwa der Fall, wenn ein Staatsanwalt auf eine ziemlich plausible Strafanzeige nicht einmal eintritt. Spätestens wenn sein Entscheid gerichtlich bestätigt wird, schwankt der geneigte Strafverteidiger zwischen Neid und Anerkennung. Und er fragt sich vielleicht sogar kurz, ob es ihn überhaupt braucht, wo doch der Staatsanwalt viel erfolgreicher verteidigt als er selbst es je zu träumen gewagt hätte. Solche Selbstzweifel verfliegen in einem Land wie der vor Punitivität strotzenden Schweiz glücklicherweise rasch, weil die Erfahrung lehrt, dass solche Fälle eigentliche Ausreisser sind. Aber es gibt sie, diese Ausreisser.

Ein ziemlich bemerkenswerter Ausreisser ist in einem Entscheid dokumentiert, welchen das Bundesstrafgericht heute online gestellt hat: BStGer BB.2020.249 vom 16.12.2020 (vgl. dazu auch den ersten Medienbericht). Der Entscheid bestätigt auf Beschwerde der Strafanzeigerin hin eine Nichtanhandnahmeverfügung. Die beschuldigten Personen sind die höchsten Richter des Landes. Ihr faktischer Verteidiger ist ein a.o. Staatsanwalt des Bundes, dem der Bundesanwalt den Fall wohl gar nicht hätte übertragen dürfen (verfassungswidriges Outsourcing von Strafverfolgungsaufgaben ohne gesetzliche Grundlage). Das Gericht ist die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts, das der Aufsicht der Beschuldigten unterstellt ist. Die Strafanzeigerin, die sich durch die Beschuldigten in ihrer Ehre verletz fühlt, ist Mitglied dieses Gerichts.

Obwohl ihre Beschwerde von ihrem eigenen Gericht kostenfällig abgewiesen wurde, ist sie die wahre Gewinnerin dieses Falls, denn der Entscheid lässt keinen Zweifel daran, dass sie sich keiner Straftat schuldig gemacht hat und dass die ihr gegenüber erhobenen Vorwürfe, die nun offenbar gar nicht als Vorwürfe zu verstehen waren, falsch sind.

Letztlich ist der ganze Fall einfach nur ein weiteres Beispiel dafür, dass die schweizerische Bundesstrafjustiz weder funktioniert noch unter den gegebenen rechtlichen Grundlagen funktionieren kann.