Der Staatsanwalt am Geldhahn des Verteidigers
In einem wenig sorfgältig begründeten Entscheid vom 24.04.2006 (BB.2006.2) hat das Bundesstrafgericht die Beschwerde eines amtlichen Verteidigers zurückgewiesen, der bei der Bundesanwaltschaft erfolglos die Entschädigung seiner bisher geleisteten Aufwendungen (CHF 19,494.45) bzw. eine Akontozahlung beantragt hatte. Aus dem Entscheid:
Die Zusprechung einer Akontozahlung ist eine rein vorläufige, Billigkeitsüberlegungen entspringende Massnahme, die nicht gesetzlich geregelt ist. Der effektive Entscheid über die Festsetzung und die Höhe des Honorars des amtlichen Verteidigers erfolgt erst bei Verfahrensabschluss. Es besteht in einem nicht abgeschlossenen Verfahren weder ein Rechtsanspruch des amtlichen Verteidigers auf Honorarzahlung für seine bisher erbrachten Aufwendungen noch ein solcher auf Leistung einer Akontozahlung (E. 1.3).Durch die nicht erfolgte Honorarfestsetzung ist der Beschwerdeführer daher nicht im Rechtssinne beschwert, womit keine genügende Beschwerdelegitimation vorliegt; das Gleiche gilt hinsichtlich seines Eventualantrags auf Leistung einer Akontozahlung. Diese wurde von der Beschwerdegegnerin im Übrigen bloss „zurzeit“ verweigert (E. 1.4).
In der Folge hat die Beschwerdekammer noch angefügt, es habe anlässlich einer Koordinationssitzung Bundesstrafgericht, Bundesanwaltschaft und Untersuchungsrichteramt vom 5. Dezember 2005 eine Weisung betreffend Verteidigungs-, Kosten- und Vollzugsfragen vom 27. September 2005 erlassen, wonach
grundsätzlich auf allen Stufen des Bundesstrafverfahrens auf entsprechendes Gesuch hin eine Akontozahlung an den amtlichen Verteidiger nach jeweils einem Jahr oder bei Aufwendungen von CHF 10,000.00 (Honorar und Auslagen) zulässig
sei. Die Voraussetzungen waren damit im vorliegenden Fall erfüllt, aber eben: keine Beschwer im Rechtssinn, da kein Rechtsanspruch.
Warum kein Anspruch bestehen soll, begründet die Beschwerdekammer freilich nicht (dazu gäbe es Literatur und Rechtsprechung). Was an diesem Entscheid besonders ärgert ist, dass es nun offenbar im Ermessen der Bundesanwaltschaft sein soll, Akontozahlungen an amtliche Verteidiger zu leisten, was als unerträglich erscheint und gegen die Waffengleichheit verstösst. Ich wage zu behaupten, dass so nicht primär die “unbequemen” Verteidiger berücksichtigt werden.
Wesentlich einsichtiger ist hier etwa das Obergericht des Kantons Solothurn (SOG 2002 Nr. 15), das insbesondere die Vorfinanzierungskosten berücksichtigt:
Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers erfolgt zu einem Ansatz, welcher in nicht unerheblichem Masse unter jenem des Anwaltstarifes liegt. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es als Zumutung, ihn in lange dauernden Verfahren auf sein Honorar warten zu lassen, welches ein beträchtliches Ausmass erreichen kann, was wiederum zu namhaften Vorfinanzierungskosten führt. Die solothurnische Gesetzgebung spricht sich jedenfalls nicht gegen solche Zahlungen aus und es ergibt sich aus ihr auch nicht, dass der Untersuchungsrichter nicht über solche Zahlungen entscheiden kann.
Schwer verständlich ist auch, dass zwischen Bundesstrafgericht, Staatsanwaltschaft und Untersuchungsrichteramt Koordinationssitzungen abgehalten werden, an denen Weisungen über Honorarfragen erlassen werden. Dies zeigt einmal mehr, dass das bisherige System falsch sein muss. Oder hat noch irgend jemand das Gefühl, ein Gericht, das mit nur einer Partei (Bundesanwaltschaft) über das Honorar der anderen Partei (der amtliche Verteidiger ist zwar gemäss dem hier zitierten Entscheid nicht Partei) verhandelt, sei unabhängig?