Der Straf-Rechtsstaat treibt neue Blüten
Im Kanton Solothurn ist am 1. Januar 2007 das Archivgesetz in Kraft getreten. Wie im modernen Strafrechtsstaat hat der demokratische Gesetzgeber es nicht unterlassen, neue Strafbestimmungen zu erlassen. § 13 lit. a lautet wie folgt:
Mit Busse bis zu 4’000 Franken wird bestraft, wer vorsätzlich archivwürdige Dokumente beiseite schafft oder vernichtet.
Sie wissen nicht, was archivwürdige Dokumente sind? Die Antwort liefert der Gesetzgeber natürlich auch. Er definiert in § 4 den Begriff Dokumente (!) wie folgt:
Dokumente sind
a) amtliche Dokumente nach § 4 des Informations- und Datenschutzgesetzes vom 21. Februar 2001 sowie alle Hilfsmittel und ergänzenden Daten, die zu deren Verständnis und Benutzung notwendig sind;
b) Dokumente nichtstaatlicher Herkunft, welche die staatliche Überlieferung ergänzen oder Überlieferungslücken schliessen.
Nachdem wir nun also den Begriff “Dokument” kennen, verstehen und bereits ein bisschen schätzen gelernt haben, müssen wir nur noch wissen, was “archivwürdig” bedeutet, denn Nichtwissen schützt bekanntlich vor Strafe nicht. Der Gesetzgeber lässt seine Bürger auch in diesem Punkt nicht im Stich und erklärt ihnen in § 5 auch das:
Archivwürdig sind Dokumente, die
a) der Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit dienen;
b) die Transparenz und Nachvollziehbarkeit staatlichen Handelns gewährleisten;
c) die Aufarbeitung von Themen der Wissenschaft und Forschung ermöglichen.
Da nun alles klar ist, könnten wir das Archivgesetz ja wieder schliessen und weglegen. Lassen wir uns dabei aber nicht erwischen: Das Archivgesetz selbst stellt ohne jeden Zweifel ein archivwüridges Dokument dar, dessen Beiseiteschaffen strafbar ist. Der fortgeschrittene Leser fragt sich völlig zu Recht, ob er diesen Blogbeitrag je wieder straffrei schliessen kann. Ich persönlich glaube: eher nicht, nein.