Der Strafprozess im Kanton Thurgau …

… scheint nach anderen Regeln zu erfolgen als im Rest der Schweiz. Jedenfalls kassiert das Bundesgericht schon wieder einen Entscheid wegen Verletzung des Konfrontationsanspruchs (BGer 6B_446/2012 vom 29.11.2012). Weder der Beschwerdeführer noch dessen Verteidiger erhielten während des gesamten Verfahrens Gelegenheit, den Einvernahmen der ausschlaggebenden Belastungszeugin wenigstens einmal direkt oder indirekt zu folgen und ergänzend Fragen zu stellen:

Die Vorinstanz hat keine Anstrengungen unternommen, um eine Konfrontation zu ermöglichen oder in sonstiger Weise die Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers zu wahren. Sie kann die Fragen der Verteidigung nicht im Wege einer antizipierten Beweiswürdigung für entbehrlich erklären mit dem Hinweis, die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 seien glaubhaft. Hinweise, dass eine gerichtliche Einvernahme nicht möglich war, gibt es nicht.

Unbehelflich ist der Hinweis, die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 korrespondierten mit den Einvernahmen ihrer Kinder, denn diese wurden ebenfalls unter Verletzung des Konfrontationsrechts des Beschwerdeführers erhoben. Zudem sind deren Aussagen nicht geeignet, den rechtserheblichen Sachverhalt, welcher dem Vorwurf der mehrfachen Vergewaltigung zugrunde liegt, direkt zu erstellen. Sie geben zwar Hinweise darauf, dass zu Hause ein Klima der Gewalt und Angst herrschte, sind jedoch für das engere Tatgeschehen und die Frage, welche Gewalt der Beschwerdeführer für die Erzwingung des Beischlafs aufwenden musste bzw. wie es um die Widerstandsfähigkeit der Beschwerdegegnerin 2 stand, nur beschränkt aussagekräftig.
Die Abweisung des Antrags auf gerichtliche Einvernahme ist auch unter Verweis auf Art. 153 Abs. 2 StPO nicht gerechtfertigt. Den Akten lässt sich nicht entnehmen, dass die Beschwerdegegnerin 2 als Opfer verlangt hat, eine Gegenüberstellung (im Sinne einer direkten Konfrontation) solle nicht stattfinden. Zudem ermöglichen die besonderen Massnahmen zum Schutz von Opfern von Straftaten gegen die sexuelle Integrität nicht den völligen Verzicht auf (direkte) Konfrontation, sondern lediglich dessen Beschränkung, soweit das rechtliche Gehör der beschuldigten Person auf andere Weise gewährleistet wird. Dies war vorliegend nicht der Fall. Dass der Beschwerdeführer zu sämtlichen Einvernahmen der Beschwerdegegnerin 2 vorgeladen wurde und damit die Möglichkeit hatte, an diesen teilzunehmen, findet in den Akten keine Stütze. Diesbezügliche Vorladungen sind nicht dokumentiert (E. 5.2).
Bleibt die Frage, wieso ein oberes Gericht so handelt. Unkenntnis ist es ja offensichtlich nicht.