Der Verteidiger als Ankläger
Einem heute publizierten Entscheid des Bundesgerichts ist zu entnehmen, dass eine amtliche Verteidigung widerrufen wurde, nachdem der Beschuldigte einen Wahlverteidiger beauftragt hatte. Gegen seine Entlassung als amtlicher Verteidiger führte dieser Beschwerde:
Am 23. Mai 2020 erhob B.. Beschwerde beim Appellationsgericht. Er beantragte, ihn wieder als amtlichen Verteidiger von A. einzusetzen und die Staatsanwaltschaft anzuweisen, die Herkunft der für die Wahlverteidigung aufgewendeten Geldmittel abzuklären und allenfalls ein Strafverfahren wegen Geldwäscherei zu eröffnen (aus der Sachverhaltsdarstellung des Bundesgerichts in BGer 1B_588/2020 vom 09.12.2020. Hervorhebungen durch mich).
Im Entscheid des Bundesgerichts ging es dann aber um eine Beschwerde, welche der neue Privatverteidiger für den Beschuldigten führte. Er verlangte erfolglos die unentgeltliche Rechtspflege. Die Beschwerde ging gemäss Bundesgericht an der Sache vorbei und war aussichtslos (Präsidialentscheid).
Ich musste das jetzt zweimal lesen, um einen Irrtum auszuschliessen. Der edle Kollege hat das Vertrauensverhältnis zu seinem ehemaligen Mandanten verteidigen wollen, indem er ihn einer weiteren Strafverfolgung auszusetzen gedachte und ihn gleichen Zug mutmasslich in Bezug auf das laufende Strafverfahren belastet (Vortat)?
Sachen gibt’s. Wenigstens wurde aufsichtsrechtlich ein spannender Sachverhalt erschaffen.
@Spielmann: So ist es. Zum Geldwäscher wäre dann wohl (auch) der Privatverteidiger geworden.
Mit Blick auf die Unschuldsvermutung und das Vertrauensverhältnis sowieso ein Unding, dass sich Verteidiger*innen fragen müssen, ob sie Honorar annehmen dürfen. Hier ist die USA löblich, die in den Geldwäschereibestimmungen eine Ausnahmeklausel für Anwaltshonorare kennt.
@GM: Die Annahme von Honorar als Entschädigung für bereits erbrachte Leistungen ist auch in der Schweiz keine Geldwäscherei. Kritisch wird es höchstens, bei überhöhten Rechnungen / Vorschüssen. Aber es wäre schon zu begrüssen, es wäre gesetzlich klar geregelt.
Da wäre ich nicht so zuversichtlich. Kaum tauglich ist m.E. jedenfalls das Kriterium der Angemessenheit von Vorschüssen bzw. Honoraren. Die Antwort kann im Lichte von Art. 305bis StGB nur über folgende Frage gefunden werden: (1) Ist die Annahme von Vorschüssen und Honoraren eine Vereitelungshandlung mit Bezug auf die Einziehung? (2) Hat der Verteidiger zumindest ausreichenden Grund zur Annahme, dass Honorar/Vorschuss aus einer Gw-Vortat (Verbrechen oder qual. Steuerstraftat) stammen oder weiss er dies sogar?
@Alex Rabian: Es wäre ja so ziemlich das Gegenteil einer Vereitelungshandlung, nicht? Wenn es GW sein könnte, dann dürfte man in Wirtschaftsstrafsachen nur noch amtlich verteidigen. Kann man natürlich auch machen (dann aber auch ohne Nachforderungsanspruch). Aber es sprechen noch andere Gründe gegen GW.
Und wie soll der Privatverteidiger dann prüfen ob die Mittel mindestens für das Erstinstanzliche Verfahren ausreichend sind wenn er gar keine Vorschüsse annahmen darf/kann?!?