Die Erben im Strafverfahren
In einem neuen Grundsatzurteil entscheidet das Bundesgericht die Frage, ob ein einzelner Erbe des Geschädigten Parteirechte im Strafpunkt ausüben könne (BGE 6B_827/2014 vom 01.02.2016).
Bereits entschieden war u..,
dass der einzelne Erbe bei Straftaten zum Nachteil der Erbengemeinschaft unmittelbar geschädigt im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO ist. Das einzelne Mitglied einer Gemeinschaft zur gesamten Hand ist bei Straftaten zum Nachteil der Gemeinschaft überdies befugt, Strafantrag zu stellen. Der einzelne Erbe ist daher auch berechtigt, sich allein als Privatkläger im Strafpunkt (Strafkläger) am Strafverfahren zu beteiligen und Rechtsmittel zu ergreifen (vgl. Art. 118 Abs. 1 und 2 sowie Art. 119 Abs. 2 lit. a StPO; Urteil 6B_1198/2014 vom 3. September 2015 E. 2.3, zur Publikation vorgesehen) [E. 2.4.3].
Neu entschieden ist nun auch:
Als Ehegatte der verstorbenen geschädigten Person ist er ein Angehöriger im Sinne von Art. 121 Abs. 1 StPO bzw. Art. 110 StGB. Der Beschwerdeführer ist zusammen mit den Nachkommen der verstorbenen Person deren nächster gesetzlicher Erbe (…). Gestützt auf die Regelung von Art. 121 Abs. 1 StPO, wonach die Rechte der verstorbenen geschädigten Person in der Reihenfolge der Erbberechtigung übergehen, ist er legitimiert, sich allein als Privatkläger im Strafpunkt zu konstituieren (E. 3.4, Hervorhebungen durch mich).
Floss das nicht zwingend schon aus den bisherigen Entscheiden? Ich glaube, ich sehe hier den Punkt nicht.
Bislang hat das Bundesgericht entschieden, dass wenn die Erbengemeinschaft direkt geschädigt ist, jeder Erbe einzeln geschädigt ist.
Neu hat das Bundesgericht entschieden, dass wenn der Geschädigte stirbt, jeder Erbe des Geschädigten als Rechtsnachfolger dessen Rechte allein wahrnehmen kann und vor allem, dass er sich auch im Strafpunkt konstituieren kann (entgegen Art. 121 Abs. 2 StPO).
Im ersten Fall ging es darum, wer bei einer Gesamthandgemeinschaft handeln kann, im zweiten Fall ging es darum, wer bei einer Gesamthandgemeinschaft als Rechtsnachfolgerin handeln kann – und welche Rechte bei der Rechtsnachfolge fortbestehen.
“Floss das nicht zwingend schon aus den bisherigen Entscheiden? Ich glaube, ich sehe hier den Punkt nicht.”
Dem ist m.E. nicht zwingend so. Denn:
1. Im Urteil 6B_1198/2014 vom 3. September 2015 E. 2.3 hatte das Bundesgericht entschieden, dass der einzelne Erbe bei Straftaten zum Nachteil der Erbengemeinschaft unmittelbar geschädigt im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO ist. Dies kann m.E. nur Straftaten erfassen, die nach dem Tod des Erblassers zum Nachteil der Erbengemeinschaft begangen worden sind.
2. Im Urteil 6B_827/2014 vom 01.02.2016 E. 3.4 hat sich das Bundesgericht nunmehr mit Blick auf Straftaten geäussert, die gegen den Erblasser selbst und damit noch vor dessen Tod verübt worden sind. Dementsprechend galt es festzuhalten, dass der Erbe auch in diesem Fall – aber aufgrund einer anderen Rechtsgrundlage, nämlich: – gestützt auf Art. 121 Abs. 1 StPO dazu legitimiert ist, sich allein als Privatkläger im Strafpunkt zu konstituieren.