Die Kernfunktion des Strafrechts
In einem Interview in der NZZamSonntag (kostenpflichtig) äussert sich Prof. Marcel Alexander Niggli anhand des Falls Kalojew zu den Funktionen des Strafrechts. Hier zwei bemerkenswerte Ausschnitte:
Die Strafhöhe und die Art der Strafe sind unwesentlich. Nach allem, was die Forschung zeigt, hat die Höhe der Sanktion überhaupt keinen Effekt auf die Rückfallgefahr. Das ist zwar schwer zu glauben, trifft aber trotzdem zu.
Die positive und unverzichtbare Funktion des Strafrechts, also eine Rechtsgemeinschaft in ihren Normen und Werten zu bestätigen, enthält immer auch eine abgrenzende Funktion. Das Strafrecht grenzt uns, die wir diese Werte vertreten und beachten, vom Rest ab. Das ist die Kernfunktion des Strafrechts, Identitätsstiftung auf Kosten des Bösen, des Andern.
Ob sich der Gesetzgeber dessen bewusst ist, darf bezweifelt werden. Mit der immer weiter um sich greifenden Kriminalisierung von nicht strafwürdigen Verhaltensweisen, bleibt nicht viel, von dem man sich abgrenzen könnte.
Interessant sind die Aussagen von Prof. Niggli auch darum, weil er eigentlich ebenfalls sagt, dass die Strafzumessung letztlich etwas “Metaphysisches” ist, weshalb auch versucht wird, sachliche Kriterien für die Strafzumessung zu finden. Das ist natürlich grundsätzlich richtig. Um so mehr finde ich aber auch interessant, was Niggli weiter ausführt, nämlich: “… wir bestrafen auch (darum), um uns zu versichern, was Recht und Unrecht ist” – also bleibt die Strafzumessung letztlich doch ein metaphysicher Vorgang.