Die Mühen der Basler Justiz mit der amtlichen Verteidigung

Das Bundesgericht kassiert erneut einen BL-Entscheid, mit dem einem Beschuldigten die amtliche Verteidigung zu Unrecht verweigert wurde (BGer 1B_102/2012 vom 24.05.2012).

Das Bundesgericht billigt dem Beschwerdeführer, einem Hilfsarbeiter aus dem Kosovo mit geringer Schulbildung, „vergleichsweise geringe Fähigkeiten“ zu, sich im Strafverfahren zurechtzufinden (E. 2.5.1).

Der Fall war bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht einfach:

Es geht um eine Schlägerei zwischen mehreren Personen. In einem derartigen Fall ist die Beweiswürdigung regelmässig heikel. […] Wie sich aus den Akten ergibt, macht der Beschwerdeführer in Bezug auf die Geschwindigkeitsüberschreitung geltend, nicht bemerkt zu haben, dass im Baustellenbereich die Geschwindigkeit auf 60 km/h begrenzt war; er habe gemeint, die Höchstgeschwindigkeit betrage 80 km/h (act. 403 und 411/413). Er bestreitet somit den subjektiven Tatbestand der schweren Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Ziff. 2 SVG (E. 2.5.2).

Die rechtlichen Schwierigkeiten des Falls begründet das Bundesgericht wie folgt:

So wäre (falls der Beschwerdeführer überhaupt der einfachen Körperverletzung gemäss Art. 123 StGB und nicht lediglich der Tätlichkeiten gemäss Art. 126 StGB schuldig gesprochen werden sollte) zu prüfen, ob – wie die Staatsanwaltschaft annimmt – das Alu-Rohr als gefährlicher Gegenstand im Sinne von Art. 123 Ziff. 2 StGB zu qualifizieren sei. Dies erscheint zweifelhaft und bedürfte der näheren Erörterung in Würdigung der Umstände. Nach der Rechtsprechung ist ein Gegenstand gemäss Art. 123 Ziff. 2 StGB nicht an sich gefährlich. Entscheidend ist vielmehr, ob die konkrete Verwendungsart die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung gemäss Art. 122 StGB herbeiführt (BGE 101 IV 285; ANDREAS A. ROTH/ANNE BERKEMEIER, in: Strafrecht II, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2007, N. 19 zu Art. 123 StGB).
Auch die Art und Höhe der Sanktion stünden nicht von vornherein fest. Statt einer Freiheitsstrafe käme auch eine Geldstrafe, welche bei mittellosen Tätern ebenfalls möglich ist (BGE 135 IV 180 E. 1.4 S. 184 f.; 134 IV 97 E. 5.2.3 S. 104 f.; je mit Hinweis), in Betracht. Dasselbe gilt für gemeinnützige Arbeit, zu welcher sich der Beschwerdeführer (act. 5) ausdrücklich bereit erklärt hat.
Überdies bedürfte die Frage des bedingten Vollzugs (Art. 42 StGB) der näheren Prüfung. Zwar ist der Beschwerdeführer mehrfach vorbestraft. Insbesondere verurteilte ihn das Bezirksstatthalteramt Laufen am 11. November 2005 wegen Tätlichkeiten etc. zu 3 Monaten Gefängnis (act. 1). Diese Vorstrafe liegt aber längere Zeit zurück. Es erscheint daher diskutabel, ob dem Beschwerdeführer ohne Weiteres eine ungünstige Prognose, welche einzig zur Verweigerung des bedingten Vollzugs führen könnte (vgl. BGE 134 I 1 E. 4.2 S. 5 f.), zu stellen wäre (E. 2.5.3).

Ein doch eher unbeholfenes Scheinargument der Vorinstanz kontert das Bundesgericht trocken:

Wenn die Vorinstanz (angefochtener Entscheid S. 6) erwägt, die Rechtsanwendung und Beweiswürdigung obliege dem Strafgericht von Amtes wegen, spricht dies nach der dargelegten Rechtsprechung nicht gegen die Beiordnung eines amtlichen Verteidigers (E. 2.5.4).