Die Polizei als Privatklägerin?
In einem Strafverfahren gegen einen Zivilangestellten der Kantonspolizei Schwyz hat sich Letztere erfolgreich als Privatklägerin konstituiert. Eine Zivilforderung hat sie nicht geltend gemacht, aber im Strafpunkt hat sie zufolge (teilweiser) Verurteilung des Beschuldigten “obsiegt”. Der Beschuldigte wird daher verurteilt, der Kantonspolizei Schwyz eine (volle) Parteientschädigung von fast CHF 28,000.00 zu bezahlen (BStGer SK.2020.51 vom 22.04.2021). Gemäss Entscheiddatenbank des Bundesstrafgerichts wurde der Entscheid weitergezogen. Mit etwas Glück trifft der Beschuldigte dann auf einen Spruchkörper, der nicht ausschliesslich aus ehemaligen Staatsanwälten besteht. Mit noch mehr Glück wird dann auch geprüft, wieso die Kantonspolizei Schwyz tatsächlich Parteirechte ausüben können soll (vgl. dazu Art. 104 StPO). Ich tippe mal, die Polizei ist nicht postulationsfähig.
Der Fall der Kantonspoliezi Bern, welche Designer wegen 50 Pullis welche Ihr Logo trugen, verhaften liessen und angeblich keine Interessenkollission vorlag, geht etwa in die gleiche Richtung.
könnte nicht 104 II StPO Anwendung finden und vom kantonalen Recht abhängen?
1B_450/2019, E. 2.2: Nach der Rechtsprechung muss der Staat wie ein Privater verletzt sein. Geht also beim abgefackelten Polizeiauto, bei der versprayten Eigangstür zur Behörde oder wie hier bei den gestohlenen/veruntreuten Waffen. Denke, das ist hier kein Problem.
Problematisch finde ich eher die 30k Anwaltskosten, welche die Kantonspolizei Schwyz für die private Rechtsvertretung in einem Strafverfahren ausgibt. Ein ganzes Haus voller Polizisten, Ermittler, Offiziere, etc. und die können das offenbar nicht mal selber machen.
Hier hätte man durchaus die Entschädigung streichen können. Es kann ja nicht sein, dass die Anwaltskosten der Privatkläger (oder auch des eigenen Anwalts) immer mehr ins Zentrum rücken und am Schluss eine grössere Belastung werden, als die eigentliche Strafe.
@Anonymous: Dann könnte ich bspw. auch gegen die Kantonspolizei Schwyz eine Schadenersatzklage führen? Die Kantonspolizei Schwyz ist doch kein Rechtssubjekt.
@ das rechtssubjekt dürfte der kanton sein, hier vertreten durch die polizei. Ob und wie das vertretungsverhältnis zustande kam, ist eine andere frage. Ob bspw. Der zuständige regierungsrat oder wer auch immer zustimmen muss etc., wobei eine solche vertretungsübertragung wohl auch nachträglich erfolgen dürfte.
@Kanton: Ja, es muss der Kanton sein. Vertretung reicht aber nicht für Parteistellung.
Ach das ist im Strafrecht doch oft so, das am Schluss die Untersuchungskosten die eigentliche Strafe darstellen. Die Geldstrafen kommen auf Bewährung die Bussen können maximal 10‘000 Betragen, das geben ja einige Gerichte schon im Entsiegelungsverfahren aus…
@John: Strafe Nr. 1: Verfahren und seine Folgen. Strafe Nr. 2: Kosten (auch bei Einstellung / Freispruch).
In der CH ist man entweder ganz reich, oder ganz arm. Hilfreich bei vielen Kosten.
Sofern das vorhandene und zukünftige Haftungssubstrat des Täters rechtzeitig in Sicherheit gebracht wurde, wird am Ende die Privatklägerschaft einen besonders wertvollen Verlustschein Ihr Eigen nennen dürfen. Dieser ist immerhin 30 Jahre gültig und kann jederzeit zu einer erneuten Betreibung mit entsprechenden Kostenfolgen genutzt werden. Vielleicht sind ja die Erben des Täters so anständig, und zahlen dessen Schulden zurück….
Kommandant Damian Meier ist Jurist (lic.iur.) mit Rechtsanwaltspatent und war als Gerichtsschreiber am Kantonsgericht Obwalden tätig (Quelle: Linkedin.ch). Vizekommandant Bruno Suter ist Chef des Bereichs Recht der Kapo Schwyz. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Zürich und dem Erlangen des Rechtsanwaltspatents des Kantons Schwyz war er mehrere Jahre als Untersuchungsrichter und als Vorsteher des Amtes für Justizvollzug tätig (Quelle: March24.ch). Bei dieser Ausgangslage finde ich es eine absolute Zumutung und Verschwendung von Steuergeldern, in einem Strafverfahren, bei welchem die Hauptarbeit durch die Staatsanwaltschaft erledigt wird, die Geschädigtenvertretung an einen kostspieligen Rechtsanwalt “auszulagern”. Hier gehörten diese Kosten zum Grossteil dem Kanton Schwyz aufgebrummt.
https://www.bstger.ch/de/car/media/comunicati-stampa/2022/2022-01-26/1231.html
Hier der Rechtsmittelentscheid.
Der Rechtsstaat funktioniert.
Rechtsanwalt Samuel Droxler wird für die amtliche Verteidigung von A. im Vor- verfahren und im erstinstanzlichen Verfahren (SK.2020.51) durch die Eidgenos- senschaft mit Fr. 72’765.95 (inkl. MWST) entschädigt. Es wird vorgemerkt, dass bereits eine Akontozahlung in Höhe dieser Entschädigung ausgerichtet wurde.
Rechtsanwalt Samuel Droxler wird für die amtliche Verteidigung von A. im Beru- fungsverfahren durch die Eidgenossenschaft mit Fr. 38’309.20 (inkl. MWST) ent- schädigt.
Herzlichen Glückwunsch an den amtlichen Verteidiger, dass er ein besonders grosszügiges Honorar erzielen konnte. Es darf gehofft werden, dass auch der Spruchkörper für das Urteil entsprechend bedacht wurde. Einen “funktionierenden Rechtsstaat” muss man sich schliesslich leisten können.
@M. Roesen: wie grosszügig das Honorar ist, werden Sie bestimmt bestens beurteilen können.
@kj
Warum so bissig?
Die Tatsache, dass Richter und Anwälte regelmässig in den Genuss von vielerlei Zuwendungen kommen und im Gegenzug Mandatssteuern und gewünschte Verteidigungen zu entrichten haben, ist doch nichts ehrenrühriges. Zumindest nicht in der Schweiz mit dem “funktionierenden Rechtsstaat” bzw. “funktionierender Gewaltentrennung” …….
@M. Roesen: die Schweiz ist in vielerlei Hinsicht kein Rechtsstaat und die Gewaltentrennung funktioniert auch nicht wirklich. Ich bin allergisch auf inkompetente Kommentare zur Entschädigung von amtlichen Verteidigern.
@kj
Danke, dass Sie mir Inkompetenz bzgl. der Bewertung zur Entschädigung von amtlichen Verteidigern unterstellen.
Dann soll doch der funktionierende Rechtsstaat in der Schweiz einfach ein Vergütungsgesetz für Rechtsanwälte mit gleichzeitiger Anwaltspflicht in jedwedem Verfahren zur Subventionierung der wahrlich notleidenden Anwaltszunft einführen. Der Steuerzahler der Schweiz wird sicherlich erfreut sein, eine derart notleidende Zunft subventionieren zu dürfen. Um das Schauspiel vor Gericht zu komplettieren, wäre so dann über eine Robenpflicht nachzudenken. “Wir ordnen und befehlen hiermit allen Ernstes, daß die Advocati wollene schwarze Mäntel, welche bis unter das Knie gehen, unserer Verordnung gemäß zu tragen haben, damit man die Spitzbuben schon von weitem erkennt.”
@ M Roesen
So ein Vergütungsgesetz mit Pauschalen schlug ich schon seit Jahren für die Schweiz vor. Dann lässt sich gute Arbeit nicht von nachtragenden Staatsanwälten bestrafen. Nichts anderes ist denn das Streichen von Honoraren
Ich pfusche nur ungern rein in die «gehaltvolle» Diskussion über die Höhe der Verteidigerhonorare…
Die Parteistellung (Privatkläger) der Kantonspolizei Schwyz (Partei vor Bundesstrafgericht) oder des Kantons Schwyz (Partei vor Bundesgericht) ist schleierhaft. Der Vorbehalt weiterer Behörden mit Parteistellung von Art. 104 Abs. 2 StPO wurde im Urteil des Bundesstrafgerichts nicht thematisiert. Beim Bundesgerichtsurteil erkenne ich mangels Einsicht in die Begründung nicht, ob dies ein Thema war.
Gibt es denn eine entsprechende gesetzliche Grundlage? Ich kenne sie nicht, wobei mir die kantonalen Gesetze des Kantons Schwyz ungeläufig sind.
Spannend wäre das schon. Insbesondere auch die Frage, ob der Kanton Schwyz, der ja selber eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ist, auch noch gleichzeitig ein «Organ» einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft i.S.d. Behördenbegriffs von Art. 104 Abs. 2 StPO sein kann.
Soweit der Kantonspolizei Schwyz oder – ungeachtet der oben aufgeworfenen Frage – dem Kanton Schwyz durch Gesetz keine Parteirechte eingeräumt werden, bleibt der Auftritt als Geschädigter bzw. Geschädigte verwehrt. Die Interessen sind (wie bei Steuerbehörden oder IV-Stellen) von der Staatsanwaltschaft zu wahren.