Die Schweiz und die Staatstrojaner
Die Diskussion um den Bundestrojaner oder Staatstrojaner wird nun auch in der Schweiz heftig geführt (swissblawg, RA Martin Steiger, NZZ, TA, Piratenpartei Schweiz, strafprozess.ch, etc.). In der Folge wurde bekannt, dass die Bundesanwaltschaft einen Staatstrojaner im Fall Stauffacher eingesetzt haben soll (s. NZZonline), der vor Bundesstrafgericht bereits verhandelt wurde und kurz vor der Urteilseröffnung steht. Rechtsgrundlage müsste Art. 66 BStP gewesen sein, der wie folgt lautete:
Art. 66
1 Für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs gilt das Bundesgesetz vom
6. Oktober 2000 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs.
2 Der Untersuchungsrichter und vor Einleitung der Voruntersuchung der Bundesanwalt
können den Einsatz technischer Überwachungsgeräte (Art. 179bis ff. StGB)
anordnen. Für die Voraussetzungen und das Verfahren gilt das Bundesgesetz vom
6. Oktober 2000 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs
sinngemäss.
In der öffentlichen Diskussion wird immer wieder behauptet, es sei umstritten, ob Art. 66 BStP bzw. seit 01.01.2011 Art. 280 StPO als hinreichende gesetzliche Grundlage für den Einsatz von Trojanern gelten kann. Verfassungsrechtlich müsste aber doch bereits aufgrund von Art. 36 Abs. 1 BV unstrittig sein, dass die zitierten Normen die Anforderungen an die Normdichte für eine derart schwerwiegende Beschränkung verschiedener Grundrechte (etwa Art. 10, 13 oder Art. 16 BV) nicht einmal annähernd erfüllen können.
Nun, der Misstand soll ja nun korrigiert werden. Wie bereits früher prognostiziert, wird er natürlich nicht korrigiert, indem der Einsatz von Trojanern verboten wird, sondern indem eine hinreichende gesetzliche Grundlage geschaffen wird.
Dr. iur. Emanuel Jaggi schreibt zur Frage, ob Art. 280 StPO eine genügende gesetzliche Grundlage für den Einsatz von Trojaner bietet (ZBJV 147/2011 S. 1 Fn. 58): “Am ehesten lässt sich der Einsatz der entsprechenden Software auf die Bestimmungen zur Überwachung mit technischen Überwachungsgeräten gemäss Art. 280 f. StPO abstützen. Diese Bestimmungen können analog angewendet werden. Diese Lösung befriedigt aber nicht ganz, weil erstens die Software kein technisches Überwachungsgerät im Sinne von Artikel 280 StPO ist. Zweitens liegen streng genommen keine der in Art. 280 StPO genannten Überwachungszwecke vor: Es werden keine Worte abgehört. Der Standort von Personen oder Sachen wird nicht festgestellt. Es werden auch nicht eigentlich “Vorgänge” an nicht öffentlichen Orten aufgezeichnet. Drittens kann auch der Fernmeldeverkehr betroffen sein. In diesem Fall erscheint es geboten, eine Genehmigung sowohl nach Art. 272 Abs. 1 StPO (Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs) als auch nach Art. 281 Abs. 4 i.V.m. Art. 272 Abs. 1 StPO (Überwachung mit technischen Überwachungsgeräten) einzuholen.”
Diese Einschätzung teile ich…
dass es eine Genehmigumg des ZMG braucht, ist ja nun wirklich klar. Die Genehmigung kann aber nicht erteilt werden, weil mit der analogen Anwendung von Art. 280 StPO ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte niemals begründet werden kann. Die Ausführungen von Herrn Staatsanwalt Jaggi belegen ja gerade, dass Art 280 StPO die erforderliche Normdichte nicht aufweist.
Leider funktioniert der Richtervorbehalt bekanntermassen in den meisten Fällen nicht. Niklaus Oberholzer (Präsident der St.Galler Anklagekammer) war im heutigen SonntagsBlick so freundlich, sich diesbezüglich zitieren zu lassen:
Das kennt man ja auch aus Deutschland. Was ich nie begreifen werde: wieso machen viele ZM-Richter ihren Job nicht? Woran liegt das?
Manche mit Absicht, manche aus Inkompetenz. Die meisten aber vermutlich aus ganz gewöhnlicher menschlicher Bequemlichkeit: Es ist wesentlich einfacher, einem formuliertem Antrag der Strafverfolgungsbehörden zustimmen zu können als einen solchen Antrag ablehnen zu müssen.
zumal der Gesuchsgegner ja nichts vom Verfahren weiss.
Frage: Wenn in einem konkreten Fall sowas angewendet wurde:
Steht das dann in den Akten zum Gerichtsprozess?
Das Problem ist jedoch auch, dass der Staat schlicht kein Interesse am korrekten Handeln hat (weil er sich dabei einschränken würde), und das BGer drückt das jeweils mit seinen Abweisungen aus formellen Gründen gut aus.
ja, es muss alles dokumentiert werden (was aber oft genug trotzdem unterlassen wird). Manchmal fliegt es auf, weil die Akten dann doch Hinweise enthalten (zB eine Rechnung eines Softwarelieferanten ;-). Der Staat hat (nebst der Pflicht) sehr wohl ein Interesse, rechtmässig zu handeln. Er beschäftigt aber den einen oder anderen, der das nicht begreift und glaubt, der (meist gute) Zweck heilige die Mittel.