Die unerträgliche Lächerlichkeit des Bundesstrafprozesses
Nach den Vorkommnissen am Bundesstrafgericht werden nun in der Presse Vorwürfe gegen das Bundesgericht bzw. die VK BGer erhoben, das den Gehörsanspruch der im Bericht kritisierten Bundesstrafrichter verletzt haben soll (vgl. meinen früheren Beitrag).
Es werden Experten zitiert, die – wie in der Schweiz bei Kritik an Strafbehörden üblich – anonym bleiben wollen:
Veröffentlichung mit allen Namen, bevor die Betroffenen nachweislich Stellung nehmen konnten, ist meines Erachtens eine grobe Persönlichkeitsverletzung, man kann sich fragen, ob es eine Amtsgeheimnisverletzung sei.» Der Jurist bezweifelt «stark», dass der Generalsekretärin «das rechtliche Gehör in genügender Weise gewährt wurde.
Wieso kann man dazu denn nicht stehen? Wovor haben die Kritiker Angst? Ist die Angst am Ende sogar berechtigt? Nun, wir werden es nicht herausfinden. Spannend ist nun aber, wie es rein theoretisch weiter gehen könnte:
Die BA eröffnet ein Strafverfahren gegen die Mitglieder der Verwaltungskommission des Bundesgerichts wegen Amtsgeheimnisverletzung und erhebt Anklage beim Bundesstrafgericht (Strafkammer). Dessen Entscheid wird dann an dasselbe Bundesstrafgericht (Berufungskammer) weitergezogen gezogen und schliesslich wird das Bundesgericht prüfen, ob die Angeklagten Bundesrichter zu recht freigesprochen bzw. verurteilt wurden. Es lebe der Bundesstrafprozess!
Zu Ihren fragen: in der sehr stark mediatisierten welt, wo vermehrt auf die person gezielt wird, ist die wahrscheinlichkeit nicht unerheblich, dass man persönlich durch den kakao gezogen oder sogar mit hass oder drohungen überzogen wird. Bevor man die klappe ganz hält, ist eine anonyme äusserung vielleicht nicht das schlechteste, solange die anonymität nicht zu drohungen o.ä. missbraucht wird. Noch zu Ihrer “prozessgeschichte”: wie sieht es mit der immunität von bundesrichtern aus? Darüber weiss ich zu wenig, aber ein prozess, wie von Ihnen geschildert, scheint mir schon deswegen fraglich.
@Anonymous: In Sachen Anonymität sind Sie ja kompetent, wehslab ich das mal zur Kenntnis nehme. Meine Prozessgeschichte ist natürlich verkürzt, aber auch ein Bundesrichter kann selbstverständlich für Straftaten verurteilt werden, und zwar wie jeder Bürger auch für solche, die er gar nicht begangen hat.
Sehr geehrter Herr Kollege kj gab es mal eine Verurteilung eines Bundesrichters oder überhaupt eines Richters? in ihrer Rechtsgeschichte? ich finde irgendwie überhaupt nichts obwohl Urteilstenor im Kanton Graubünden offensichtlich bearbeitet werden usw..
@Tades Brasauskas: Ausser Urteilen im Strassenverkehrsrecht kommen mir keine in den Sinn.
@ kj. Was Sie beschreiben, ist nicht ein spezifikum des bundesstrafprozesses, sondern ist jeder strafanzeige gegen einen richter potentiell eigen. Es muss über den richtenden gerichtet werden und dies aufgrund der üblichen zuständigkeiten letztlich vom gericht, dem er oder sie angehört. Sie mokieren sich also über die absurdität der welt und nicht den bundesstrafprozess. Was den bundestrafprozess betrifft, gibt es eben immunität, damit es nicht unnötig zu solchen absurditäten kommt. In der zwischenzeit habe ich mich schlau gemacht. Bundesrichter hätten in dieser angelegenheit immunität. Es würde eine ermächtigung durch die zuständige kommission des parlaments brauchen. Diese zu erhalten, dürfte ein ding der unmöglichkeit sein.
@Anonymous: Sie werden nicht geltend machen wollen, es sei nicht möglich, die Welt oder den Bundesstrafprozess etwas weniger absurd zu gestalten, oder? In Sachen Ermächtigung wäre ich angesichts der politischen Natur eines solchen Entscheids nicht so sicher wie Sie.
@Tades Brasauskas: 2003 kam es am Bundesgericht zur „Spuck-Affäre“. Der damalige Bundesrichter Schubarth wollte den damaligen Bundesgerichtskorrespondenten Markus Felber anspucken, traf aber einen Gerichtsschreiber. Der Gerichtsschreiber verzichtete auf strafrechtliche Schritte. Der Vorfall hatte letztlich keine strafrechtlichen Konsequenzen für Bundesrichter Schubarth. Die Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat sahen es aber offenbar als Option an, Bundesrichter Schubarth mittels Bundesbeschluss seines Amtes zu entheben. Einem solchen Schritt kam Bundesrichter Schubarth zuvor, indem er den Rücktritt noch vor Veröffentlichung des Berichts der Geschäftsprüfungskommissionen erklärte (vgl. zum Ganzen: BBl 2004 5647 ff.).
Kurzum: Mir ist keine (strafrechtliche) Verurteilung eines Bundesrichters bekannt. Das Parlament erwog in der Vergangenheit aber bereits einmal, Massnahmen gegen Bundesrichter zu treffen, die sich Verfehlungen zuschulden kommen liessen.
Nicht einmal die Spuck-Affäre von Bundesrichter Schubarth hatte strafrechtliche Konsequenzen. Der Fall wäre interessant gewesen, zumal die Spucke nicht den anvisierten Journalisten traf, sondern einen daneben stehenden Gerichtsschreiber. Klassischer aberratio ictus.
@kj. Nein, aber ich würde davor warnen, die eine absurdität durch die nächste zu ersetzen. Zu akzeptieren, dass die welt und insbesondere der justizprozess per se absurdität in sich birgt, erleichtert es womöglich, die dinge unaufgeregter zu betrachten.
Offenbar hat der betroffene Gerichtsschreiber die Handlung als Aufwertung seiner Person betrachtet. Das überrascht in casu colorandi wenig, wenn einem bekannt ist, dass auch Teenager die unmöglichsten Sachen anstellen um von ihrem Idol einmal im Leben berührt oder beachtet zu werden…..
Es soll sogar Angehörige der Schweizer Justiz geben, die für àhnliche Aktivitäten bereit sind, nicht unerhebliche pekuniäre Leistungen zu erbringen. Dies macht ja auch Sinn, wer sein Leben lang dadurch auffällt dass er den Rechtsstaat eher missachtet denn fördert, trägt möglcherweise auch sonst einen “Knacks” in seiner Persönlichkeitsstruktur umher.
Mit freundlichen Grüssen
N’est-il pas temps d’instaurer un Conseil supérieur de la magistrature fédérale, chargé de la surveillance disciplinaire de toutes les juridictions fédérales, y compris le Tribunal fédéral, et du Ministère public de la Confédération (en remplacement de son Autorité de surveillance actuelle) ? Une telle institution, comme la connaissent notamment plusieurs cantons latins (GE, FR, NE, JU, TI) et pays voisins, n’est sans doute pas la panacée, mais elle présente l’avantage de l’indépendance et de la diversité des membres, comprenant notamment des avocats et professeurs.