Die Unternehmensperson im Unternehmensstrafrecht

Unternehmensstrafverfahren nach Art. 102 Abs. 2 StGB werden in der Regel im Strafbefehlsverfahren beurteilt, an denen die Justiz nicht beteiligt ist. Dass die gesetzlichen Voraussetzungen für das Strafbefehlsverfahren in aller Regel gar nicht erfüllt sein können, interessiert niemanden, denn alle Beteiligten freuen sich am Deal (Strafbefehl mit Busse, Einziehung von Ersatzforderungen und Kosten gegen Verzicht auf Einsprache) zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Unternehmen.

Schwieriger wird die Lage allerdings für natürliche Personen, gegen die konkurrierend ebenfalls ermittelt wird. Für sie präjudiziert der vom Unternehmen akzeptierte Strafbefehl praktisch schon ihr eigenes Urteil, zumal Art. 102 Abs. 2 StGB eine tatbestandsmässige und rechtswidrige Anlasstat natürlicher Personen erfordert. Prozessualen Schutz dagegen bietet das Prozessrecht, insbesndere die Einheit des Verfahrens (Art. 29 StPO).

Das Bundesgericht hebt diesen Schutz nun aber auf (BGer 6B_233/2018 und 6B_236/2018 vom 07.12.2018, Fünferbesetzung). Dieses Ergebnis erreicht es dadurch, dass sich die natürlichen Personen weder gegen die getrennt geführten Verfahren wehren können noch zur Einsprache gegen den Strafbefehl gegen das Unternehmen legitimiert sein sollen

Zur EInsprachelegitimation:


Die Beschwerdeführer können sich nicht auf Art. 354 Abs. 1 lit. b StPO berufen, da sie vom Strafbefehl nicht betroffen sind. Die Z. SA anerkannte offenbar den ihr vorgeworfenen Sachverhalt bzw. sie brachte diesen selber zur Anzeige (…). Darauf basiert der Strafbefehl. Dieser entfaltet den Beschwerdeführern gegenüber keine Rechtskraft. Die Verurteilung der Z. SA hat diesen gegenüber keine präjudizierende Wirkung, sondern deren Schuld ist zu beweisen. Insofern sind anderslautende spätere Entscheide nicht ausgeschlossen (vgl. BGE 144 IV 121 E. 1.6 S. 125 f. für das abgekürzte Verfahren). Die Beschwerdeführer können sich nur in eigener Sache gegen einen Schuldspruch zur Wehr setzen. Selbst wenn der Schuldspruch der Z. SA nicht im Strafbefehlsverfahren ergangen wäre, könnten die Beschwerdeführer diesen nicht mit der Begründung anfechten, die Z. SA sei zu Unrecht gestützt auf Art. 102 Abs. 2 StGB verurteilt worden, obschon es im Unternehmen an einer Anlasstat einer natürlichen Person nach Art. 322 septies StGB (siehe dazu BGE 142 IV 333 E. 4 S. 336 ff.) fehle (E. 6.2.2).  

Zur Verfahrenstrennung versagt das Bundesgericht den natürlichen Personen die Anfechtung der Entscheide des Bundesstrafgerichts:


Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts wies die Beschwerde des Beschwerdeführers 1 gegen die Abweisung seines Antrags auf Verfahrensvereinigung (Beschluss BB.2017.35 vom 29. August 2017) und die Beschwerde des Beschwerdeführers 2 gegen die Verfügung vom 23. Februar 2017 (Beschluss BB.2017.51 vom 29. August 2017) ab. Entscheide betreffend die Verfahrenstrennung können nach der Rechtsprechung zwar einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken (vgl. Urteile 1B_150/2017 vom 4. Oktober 2017 E. 1; 1B_467/2016 vom 16. Mai 2017 E. 1; je mit Hinweisen). Entscheide der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts können gemäss Art. 79 BGG dennoch nur an das Bundesgericht weitergezogen werden, soweit sie Zwangsmassnahmen betreffen, was bei der Verfahrenstrennung nicht der Fall ist. Mit Art. 79 BGG wollte der Gesetzgeber verhindern, dass der durch die Übertragung von Zuständigkeiten auf das Bundesstrafgericht gewollte Entlastungseffekt durch die systematische Öffnung des Beschwerdewegs an das Bundesgericht zunichte gemacht wird. Gegenstand einer Beschwerde können daher nur Zwangsmassnahmen wie die provisorische Inhaftierung oder die Beschlagnahme von Vermögen sein, weil es sich um schwerwiegende Massnahmen handelt, welche die Grundrechte berühren (BGE 143 IV 85 E. 1.2 S. 87; 136 IV 92 E. 2.1 S. 93; Urteil 6B_1269/2016 vom 21. August 2017 E. 1.2). Gegen die Entscheide der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts BB.2017.35 und BB.2017.51 vom 29. August 2017 stand den Beschwerdeführern die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht demnach nicht offen. Diese können die erwähnten Entscheide daher auch nicht über den im getrennt geführten Verfahren ergangenen Strafbefehl gegen die Z. SA anfechten, wie sie dies in ihrer Beschwerde tun. Dass die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts die Beschwerden gegen die Verfahrenstrennung nach Auffassung der Beschwerdeführer zu Unrecht abwies, legitimiert sie mit anderen Worten nicht zur Einsprache gegen den Strafbefehl vom 23. März 2017. Diese können sich folglich nicht auf das Urteil 1B_11/2016 vom 23. Mai 2016 berufen, in welchem das Bundesgericht von der Nichtigkeit eines in einem abgetrennten abgekürzten Verfahren gefällten Urteil ausging (Urteil, a.a.O., E. 3). Im erwähnten Entscheid hatte das Bundesgericht zu prüfen, ob die Verfahrenstrennung zulässig war, da es sich um kantonale Strafverfahren handelte. Im Übrigen war für die bundesgerichtliche Beurteilung entscheidend, dass sich mehrere Beschuldigte gegenseitig belasteten (Urteil, a.a.O., E. 2.3; dazu auch Urteil 1B_467/2016 vom 16. Mai 2017 E. 3.3), was vorliegend nicht der Fall ist. Die Beschwerdeführer machen vielmehr geltend, die Z. SA sei zu Unrecht verurteilt worden (E. 6.3).