Die verpasste Berufungsfrist …

Das Bundesgericht entscheidet in aussergewöhnlicher Besetzung (mit einem Mitglied aus einer anderen Abteilung) eine Frage, die ich mir schon oft gestellt habe: wer trägt eigentlich die Folgen eines fatalen Fehlers des Strafverteidigers?

Da der Verteidiger nicht Vertreter sondern Beistand ist, kann es eigentlich nicht der Beschuldigte sein, der bspw. wegen einer vom Verteidiger verpassten Frist rechtskräftig verurteilt ist, obwohl Letzterer doch für seinen Freispruch kämpfen sollte.

So sieht es – unter bestimmten Umständen – auch das Bundesgericht (BGE 6B_294/2016 vom 05.05.2017, Publikation in der AS vorgesehen), das sich der Lehrmeinung von Prof. Riedo anschliesst:

Au regard de ces éléments, il y a lieu de retenir que le droit du recourant à une défense pénale effective au sens des art. 6 par. 3 let. c CEDH, 14 par. 3 let. d Pacte ONU II et 32 al. 2 Cst. faisait obstacle à l’imputation de la faute grave commise par son défenseur dans le cadre de la défense obligatoire, compte tenu du fait que le défaut du cas d’espèce, soit le dépôt de l’appel un jour après l’échéance du délai, l’expose à un préjudice important et irréparable. En l’absence de toute faute du recourant, la cour cantonale a violé l’art. 94 CPP en rejetant sa requête de restitution de délai.
L’objet de la procédure devant le Tribunal fédéral étant circonscrite à la restitution du délai, il n’y a pas lieu d’examiner dans quelle mesure la faute de l’avocat pourrait entraîner une procédure disciplinaire (E. 2.3).

Bei einem Fall notwendiger Verteidigung kommt eine Fristwiederherstellung vor, wenn der Anwalt

  • grob fahrlässig
  • qualifiziert unrichtig oder
  • mit den Regeln der Anwaltskunst gänzlich unvereinbar

handelt. Der Entscheid enthält ein paar weitere Voraussetzungen (kein Verschulden des Beschuldigten, kein durch Schadenersatz wieder gutzumachender Nachteil) und wird wohl noch viel zu diskutieren geben.