Dirnenlohn nicht einziehbar
Das Bundesgericht bestätigt seine neue Rechtsprechung zur sozialpolitischen Einschränkung der strafrechtlichen Einziehung (Art. 70 StGB, s. dazu meinen früheren Beitrag) nun auch gegenüber dem Dirnenlohn (BGer 6B_188/2011 vom 26.10.2011, Fünferbesetzung):
Die Rechtsprechung (oben E. 2.1 und 2.2) ist somit unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung auf die Prostitution als solche anwendbar, die ohne Aufenthalts- und Erwerbsbewilligung in der Schweiz ausgeübt wird. Aus strafrechtlicher Sicht kommt hinzu, dass Art. 195 Abs. 3 StGB die Handlungsfreiheit zur selbstbestimmten Ausübung der Prostitution schützt und deren Beeinträchtigung mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe sanktioniert. Die Strafbarkeit setzt voraus, dass auf die Person ein gewisser Druck ausgeübt wird, dem sie sich nicht ohne weiteres entziehen kann, so dass sie in ihrer Entscheidung nicht mehr vollständig frei ist, ob und wie sie der Prostitution nachgehen will (BGE 126 IV 76 E. 2 S. 81). Es kann daher nicht gesagt werden, das Prostitutionseinkommen sei “durch eine Straftat erlangt worden” (Art. 70 Abs. 1 StGB), da das Strafrecht die selbstbestimmte Ausübung der Prostitution als solche schützt (E. 2.5).
Der Kunstgriff gelang dem BGer nur, indem es Art. 199 StGB “Unzulässige Ausübung der Prostitution” ausser Kraft setzte und pauschal behauptete, die Frau sei zur Prostitution gezwungen worden, obwohl diese dies nie geltend machte. Wenn das BGer das Urteil auf dieser Behauptung abstützt, macht es geltend, es liege eine Förderung der Prostitution vor und demzufolge hätte die Frau den Dirnenlohn dem Zuhälter abliefern müssen und somit würde es sich um dessen Vermögenswerte handeln.
Es stellt sich die Frage, warum die “Unzulässige Ausübung der Prostitution” im StGB aufgeführt ist, wenn gemäss BGer bei diesem Straftatbestand von Natur aus ein Willensmangel (kein freier Wille) vorliegt. Oder noch deutlicher, kann etwas strafbar sein, was es gemäss BGer gar nicht gibt?