Distanzregulierung c. Abstandsregeln

Ein Beschwerdeführer fuhr mit einem Personenwagen auf der Autobahn. Bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 65 km/h hielt er während 45 Sekunden einen Abstand von 10 Metern bzw. 0,55 Sekunden zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug. 

Nebst Anwalts- und Verfahrenskosten sowie dem obligatorischen Führerausweisentzug betrug die schuldangemessene Strafe für die grobfahrlässige Tatbegehung fast CHF 20,000.00 (15 Tagessätze zu CHF 1,060.00 bedingt zzgl. Busse von CHF 3,000.00). Das Bundesgericht schützt die Verurteilung. obwohl der Beschwerdeführer m.E. überzeugende Argumente vortrug (BGer 6B_1037/2020 vom 20.12.2021).

Bei Art. 90 Abs. 2 SVG handelt es sich nach Lehre und Rechtsprechung um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, obwohl der Tatbestand voraussetzt, dass der Täter “eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt.” Ernstlich heisst eben nicht konkret, weshalb auch technische Hilfsmittel nicht geeignet sein sollen, die abstrakte Gefährdung auszuschliessen. Man müsste daher gemäss Bundesgericht vorsätzlich oder fahrlässig eine abstrakte Gefahr selbst dann begründen können, wenn sie konkret auszuschliessen ist:

Unbehelflich ist die Rüge des Beschwerdeführers, es sei im Fall eines abrupten Bremsmanövers des vorherfahrenden Fahrzeugs nicht von einer hohen Kollisionsgefahr auszugehen, weil das in seinem Fahrzeug verbaute elektronische System zur automatischen Distanzregelung eingeschritten wäre und selbstständig abgebremst hätte. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf und es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern das besagte System das Kollisionsrisiko so stark minimiert hat, dass trotz seines Verhaltens – Fahrt während 45 Sekunden bzw. über 800 Meter mit einer Geschwindigkeit von mind. 65 km/h in einem Abstand von 10 Metern bzw. bei einem zeitlichen Abstand von 0,55 Sekunden zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug – keine erhöhte abstrakte Unfallgefahr bestanden hat. Ein elektrisches (Assistenz-) System zur Distanzregulierung entbindet den Fahrzeuglenker in keinem Fall von seiner Pflicht, die Abstandsregeln einzuhalten, die vorliegend grob verletzt worden sind. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz das Risiko einer Kollision im Fall eines brüsken Bremsmanövers des vorderen Fahrzeugs als real und sehr hoch einschätzt. Der Beschwerdeführer unterschritt den erforderlichen Abstand ausserdem nicht nur kurzzeitig, sondern über eine Strecke von rund 800 Metern. Die erhöhte abstrakte Gefahr eines Unfalls bestand folglich nicht bloss vorübergehend (E. 1.4).