Drei Instanzen – drei unterschiedliche Urteile

Das Bundesgericht kassiert die Verurteilung zweier Polizisten, welche im Rahmen einer Verkehrskontrolle Gewalt gegenüber dem Beifahrer B. (Ehemann der Lenkerin) anwendeten (BGer 6B_560/2010 vom 13.12.20109. Aus dem Sachverhalt:

B. weigerte sich in der Folge, sich auszuweisen, da die Polizei besser “die Jugos” statt “unschuldige Eidgenossen” kontrollieren sollte. Ferner schimpfte er über die Polizei sowie den Staat und schickte sich an, zu Fuss nach Hause zu gehen. Der Beschwerdeführer und Y. hielten ihn wiederholt zurück, indem sie ihn leicht an den Oberarmen packten. Der Beschwerdeführer teilte B. mehrmals mit, er könne sich eine polizeiliche Anhaltung und Personalienprüfung auf dem Posten ersparen, wenn er einen Ausweis zu seiner Identifikation vorlege. Als dieser sich losreissen wollte, überwältigten sie B. mit einem sogenannten “Armstreckhebel-Griff”, gingen mit ihm zu Boden und legten ihm anschliessend Handschellen an. Obwohl er sich beim Sturz verletzte, weigerte er sich weiterhin, seinen Namen zu nennen, solange er in Handschellen dastehe, gab seine Personalien nach einigem Hin und Her allerdings später bekannt. Der Beschwerdeführer entfernte hierauf die Handschellen [Hervorhebung durch mich wegen der hohen Kunst der für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhaltsdarstellung der Vorinstanz].

Die beiden kantonalen Instanzen teilten den Sachverhalt in zwei Phasen, waren sich aber in deren Würdigung uneinig:

Die Vorinstanz teilt die Geschehnisse, wie schon die erste Instanz, in zwei Phasen, wobei sich die Phase 1 bis zur Fesselung von B. erstreckt und Phase 2 das Verhalten der beiden Polizisten nach der Fesselung umfasst. Während die erste Instanz deren Verhalten in Phase 2 als Amtsmissbrauch wertete, stufte die Vorinstanz das Verhalten in Phase 1 als Amtsmissbrauch ein und hob den erstinstanzlichen Schuldspruch in der Phase 2 auf (E. 1.2).

Eine dritte Variante – Freispruch für beide Phasen – ist die Konsequenz aus dem Urteil des Bundesgerichts sein:

Die Vorinstanz beurteilt den angewandten Armstreckhebel zur Fesselung von B. als unverhältnismässig. Dieser hätte auch autoritativ festgehalten und so am Verlassen der Kontrollstelle gehindert werden können. Die Vorinstanz übersieht hierbei, dass jederzeit mit einem weiteren Fluchtversuch hätte gerechnet werden müssen. Zudem hätte die “Festnahme mit kontrollierter Begleitung” bis zu einer Fesselung an einem geeigneten Ort verschiedenen möglichen Gefahren nicht Rechnung getragen. So war den beiden Polizeibeamten eine allfällige Gefährlichkeit von B. mangels Identifikation nicht bekannt. Zudem konnte ein irgendwie geartetes Eingreifen von A. ins Tatgeschehen nicht ausgeschlossen werden. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die beiden Polizeibeamten innert kürzester Zeit über das weitere Vorgehen entscheiden mussten und die Zeit zur Evaluierung alternativer Fesselungstechniken und -standorte fehlte (E. 2.6).

Ergebnis:

Die Fesselung mittels Armstreckhebel war in der vorliegenden Situation nicht unverhältnismässig und erfüllt das objektive Tatbestandsmerkmal des Missbrauchs der Amtsgewalt gemäss Art. 312 StGB nicht (E. 2.7).