Durch das Dorf gejagter Kinderschänder
Wer nach einer Verurteilung wegen Sexualdelikten mit Kindern ein Rechtsmittelergreift, hat in der Regel schlechte Karten. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Taten an sich unbestritten sind.
So ging es auch einem Beschwerdeführer, den das Leben wohl härter bestraft hat, als es die Strafjustiz je könnte (BGer 6B_216/2017 vpm 11.07.2017). Das ergibt sich zunächst aus dem Urteil des Bundesgerichts:
Weiter ist der Beschwerdeführer der Ansicht, er habe aufgrund des Vorfalls vom 25. Juni 2014 bereits Busse getan. Damals habe ihn der Beschwerdegegner mit einem Blackenstecher bedroht. Er habe ihn gezwungen, den Oberkörper freizumachen und ihm mit einem schwarzen Filzstift “ich bin ein pädophiler Kinderschänder” auf den Rücken geschrieben. Anschliessend habe der Beschwerdegegner ihn mit dem Blackenstecher durch das Dorf gejagt. Dieses Erlebnis sei höchst demütigend gewesen. Sein gesamtes Leben sei aus der Bahn geworfen worden. Im Anschluss an die öffentliche Ächtung habe er seine Arbeitsstelle, seine Familie und sein gesamtes soziales Umfeld verloren. Er habe den Wohnort und gar den Kanton wechseln müssen. Diese Form von mittelalterlicher Selbstjustiz verstosse gegen den staatlichen Strafanspruch und den Grundsatz des fairen und gesetzmässigen Verfahrens. (E. 2.4).
Damit widerspricht der Beschwerdeführer der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung, wonach er beim erwähnten Vorfall gemäss seinen eigenen Angaben weder Angst hatte noch sich stark gedemütigt gefühlt habe. Dass der Beschwerdeführer aufgrund des Vorfalls die Arbeitsstelle und sein soziales Umfeld verloren habe, lasse sich den Akten nicht entnehmen. Die Tatsache, dass der Beschwerdegegner Selbstjustiz übte, lässt den staatlichen Strafanspruch nicht entfallen. Immerhin berücksichtigt die Vorinstanz die genannten Umstände leicht strafmindernd. Inwiefern die Vorinstanz damit das ihr zustehende Ermessen bei der Strafzumessung verletzt haben soll, ist nicht ersichtlich (E. 2.4).
Der Beschwerdegegner war vorliegend auch das Opfer und Sohn des Beschwerdeführers. Die Freiheitsstrafe betrug drei Jahre und neun Monate. Sie wurde aufgrund des geschilderten Vorfalls schon um neun Monate reduziert. Verurteilt wurde der Vater aufgrund mehrfachen sexuellen Handlungen mit seinem Sohn, der mehrfachen versuchten sexuellen Nötigung sowie der sexuellen Nötigung. Diese Handlungen erstreckten sich über mehrere Jahre. Das Wort Sexualdelikt tönt harmlos, wenn man den tatsächlichen Sachverhalt liest. Der hier wohlweislich nicht näher geschildert wird. Die drei Jahre und neun Monate stellen eine Strafe dar, die das Unrecht des zerstörten Lebens des Sohnes nicht aufwiegen können. Eine Freiheitsstrafe führt für jeden Täter zum Verlust der Arbeitsstelle. Bei jahrelangem sexuellem Missbrauch des Sohnes hat der Beschwerdegegner den Verlust der Familie sich selbst zuzuschreiben und nicht dem geschilderten Vorfall. Ganz bestimmt bedarf es keiner weiteren Strafmilderung.
Wenn dieser Mann seine Familie verloren hat, lag das sicher nicht an der öffentlichen Demütigung durch Selbstjustiz, sondern daran, dass er seinen eigenen Sohn schwer und über Jahre hinweg sexuell missbraucht hat, wie sie der verlinkten Entscheidung entnehmen lässt. Der Verlust der Arbeitsstelle dürfte auch eher mit der Haftstrafe zu tun haben. Es ist sicher nicht richtig Selbstjustiz zu üben, aber der Vortrag des Beschwerdeführers klingt nicht gerade so als ob er verstanden hat was er seinem Sohn angetan hat und dafür die Verantwortung übernimmt.