Durch das Verfahren ruiniert

Dass im Strafprozess das Verfahren oft die härtere Strafe darstellt, als es das Urteil je sein könnte, zeigt sich an einem neuen Entscheid des Bundesstrafgerichts, I. Beschwerdekammer, der noch nach altem Recht erfolgte (BB.2010.70 vom 14.02.2011). Der Beschwerdeführer machte erfolglos geltend, durch die erfolgten Zwangsmassnahmen nicht mehr in der Lage zu sein, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Das Bundesstrafgericht liess sich nicht beeindrucken: 

Mit dem Einziehungsrecht wird dem Grundsatz “Straftaten sollen sich nicht lohnen” Nachachtung verschafft. Nach Art. 70 Abs. 1 StGB verfügt das Gericht die Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine Straftat erlangt worden sind oder dazu bestimmt waren, eine Straftat zu veranlassen oder zu belohnen, sofern sie nicht dem Verletzten zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt werden. Der grundsätzlich zwingende Charakter der Vermögenseinziehung nach Art. 70 StGB kommt darin zum Ausdruck, dass ihr die damit bewirkte Mittellosigkeit des Betroffenen nicht entgegengehalten werden kann (…). Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe (Art. 71 StGB). Diesbezüglich wird in der Lehre – teils ohne nähere Begründung – die Auffassung vertreten, die Beschlagnahme zur Durchsetzung einer Ersatzforderung gemäss Art. 71 StGB habe die Schranken von Art. 92 SchKG zu beachten (…). Ob diese Auffassung richtig ist, kann hier jedoch offen bleiben. Selbst wenn man ihr nämlich folgen wollte, ist damit lediglich gesagt, dass mit dieser Einziehungsbeschlagnahme keine Kompetenzstücke im betreibungsrechtlichen Sinne gepfändet werden dürfen. Indessen ist in Lehre und Rechtsprechung keine Rede davon, dass dem Beschwerdeführer im Rahmen der Vermögensbeschlagnahme das Existenzminimum im Sinne eines regelmässigen Einkommens (analog zu Art. 93 SchKG) zu belassen ist (vgl. zum Ganzen auch Entscheid des Bundesstrafgerichts BB.2005.72 vom 19. Oktober 2005, E. 5.2 m. w. H.). Vielmehr hat das Bundesgericht in seinem Urteil 1S.16/2005 vom 7. Juni 2005, E. 7, darauf hingewiesen, dass einer sich aufgrund einer Beschlagnahme in einer Notlage befindenden Person bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen Hilfe verfassungsmässig garantiert ist (Art. 12 BV; vgl. auch Entscheid des Bundesstrafgerichts BB.2005.30 vom 14. September 2005, E. 2.6) (E. 2.3).

Das neue Recht sieht bei der Deckungsbeschlagnahme immerhin vor, dass Vermögenswerte ausgenommen sind, die nach Art. 92-94 SchKG nicht pfändbar sind (Art. 268 Abs. 3 StPO). Damit ist der Notbedarf jedenfalls gegenüber der Deckungsbeschlagnahme geschützt. Ob dies auch für die Ersatzforderungsbeschlagnahme gilt, ist in der Lehre umstritten. Das Bundesstrafgericht vertritt zum bisherigen Recht die Auffassung, der Notbedarf stehe einer Beschlagnahme nicht entgegen. Es beruft sich dabei auf ein Urteil des Bundesgerichts (BGer 1S.16/2005 vom 07.06.2005, E. 7), das sich aber im referenzierten Entscheid dazu gar nicht äussern musste.

Klar bleibt jedenfalls eines: Die Strafverfolgungsbehörden haben es grundsätzlich in der Hand, einen Beschuldigten (und mit ihm möglicherweise auch seine Angehörigen und Gläubiger) finanziell zu ruinieren, bevor seine Schuld feststeht. Aber kein Problem – wir haben ja die Sozialämter.