Durchsuchung von Anwaltskorrespondenz
In einer weiteren Entsiegelungssache musste sich das Bundesgericht mit der Frage auseinandersetzen, wann die Substanziierungsobliegenheiten als erfüllt qualifiziert werden können und wer geschützte Geheimnisinteressen überhaupt geltend machen kann (BGer 1B_611/2022 vom 12.05.2022). Zu entscheiden war u.a., wer berechtigt ist, sich auf Geschäftsgeheimnisse von juristischen Personen zu berufen. Dazu das Bundesgericht:
Bei den aufgeführten Gesellschaften handelt es sich rechtlich gesehen um Dritte, die ihre Geheimnisrechte, wie z.B. Geschäftsgeheimnisse, selbst gelten machen können und müssen. Dass der Beschwerdeführer an diesen juristischen Personen wirtschaftlich berechtigt ist, ändert daran nichts (Urteil 1B_563/2020 vom 29. Januar 2021 E. 1.3). Der Beschwerdeführer ist nicht legitimiert, allfällige Geheimnisinteressen von Dritten im eigenen Namen geltend zu machen (Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG i.V.m. Art. 105 Abs. 1 lit. f und Abs. 2 StPO; Urteile 1B_427/2021 vom 21. Januar 2022 E. 6.4; 1B_243/2020 vom 26. Februar 2021 E. 2.4; 1B_75/2017 vom 16. August 2017 E. 6.5, nicht publ. in: BGE 143 IV 387; 1B_303/2013 vom 21. März 2014 E. 6). Der vorinstanzliche Entscheid ist demnach diesbezüglich zumindest im Ergebnis nicht zu beanstanden (E. 7.3.2).
Anschliessend stellte sich die Frage, ob die Substanziierungsobliegenheiten des Inhabers der zu durchsuchenden Datenträger in Bezug auf Anwaltskorrespondenz erfüllt waren. Hierfür reichen gemäss Bundesgericht grundsätzlich Speicherort und Namen der Anwälte, nach denen dann gesucht werden kann:
Sind Speicherort der geschützten Anwaltskorrespondenz und Namen der Anwältinnen und Anwälte bekannt, kann ohne Weiteres mittels Suchfunktion nach den entsprechenden Namen gesucht werden und ist eine Aussonderung ohne grossen Aufwand bzw. aufwändige Nachforschungen möglich (Urteil 1B_602/2020 vom 23. Februar 2021 E. 4.3).
Ob die Korrespondenz schliesslich auszusondern ist, wird im Triageverfahren zu ermitteln sein.
Spannend ist der Entscheid aber insbesondere in Bezug auf die Frage, ob das Anwaltsgeheimnis absolut ist. Das Bundesgericht verneint die Frage (E. 8.1) und nennt die beiden Ausnahmen. Die erste ist im Gesetz selbst angelegt (Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO). Die zweite ergibt sich aus dem Rechtsmissbrauchsverbot (bspw. Verstecken von Beweismitteln beim Anwalt). Das Bundesgericht entschied sich im konkreten Fall mit guten Gründen nicht für Rechtsmissbrauch und betont zudem, dass die Schwelle dafür hoch anzusetzen:
Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass aufgrund der hohen Bedeutung des Anwaltsgeheimnisses für das ordnungsgemässe Funktionieren der Justiz (vgl. statt vieler BGE 145 II 229 E. 7.1 mit Hinweisen) nur mit Zurückhaltung von einer rechtsmissbräuchlichen Berufung auf das Anwaltsgeheimnis ausgegangen werden darf. Sollte die Vorinstanz einen Rechtsmissbrauch des Beschwerdeführers annehmen und allenfalls vorhandene Anwaltskorrespondenz deshalb (teilweise) zur Durchsuchung freigeben, wird sie dies eingehend zu begründen haben, namentlich im Hinblick auf den Umfang der Freigabe (E. 8.2).
Im konkreten Fall ging es übrigens nicht um ein Verstrecken von Beweismitteln, sondern um die Weiterleitung von E-Mails, die der Staatsanwaltschaft zudem bereits bekannt waren. Das Bundesgericht weist die Sache zurück an das ZMG des Kantons NW.
Das BGer widerspricht sich mal wieder – in anderen Entscheiden hiess es noch, es reiche nicht aus, bloss die Namen von Rechtsanwälten zu behaupten, um eine Triage herbeizuführen.
Die einzige wirksame Massnahme ist alles zu digitalisieren und dann zu verschlüsseln und allfällige Papierakten – soweit keine gesetzlichen Aufbewahrungspflichten des Papiers bestehen – zu vernichten. Sind die Speichemedien (Harddisk, SSDs, USB Sticks, SD Karten etc) allesamt verschlüsselt, muss man noch nicht mal eine Siegelung beantragen.
Darf aber im Falle einer Unterlegen gegenüber der Staatsanwaltschat, die ganze Kosten, welche ein Entschlüsselung verursachen, zahlen!
Moderne Verschlüsselung, sauber implementiert, mit ausreichend langem Passwort (Länge ist wichtiger als Komplexität) ist nicht zu knacken (also Software Verschlüsselung anstelle von Hardware Verschlüsselung. Bei der Implementation von Hardwareverschlüsselung hat sich immer wieder gezeigt, dass gepfuscht wird). Dazu noch verschlüsselte Offsite Backups haben, so dass man trotz Beschlagnahme weiterhin Zugriff auf die Daten hat.
Ach tommy…