Edler Einsatz von Pfefferspray
Die NZZ (Neue Zürcher Zeitung vom 23.03.2015, 13) berichtet heute über den Freispruch einer Frau vom Vorwurf der Hinderung einer Amtshandlung (Art. 286 StGB). Sie habe die Verhaftung einer anderen Frau (unbewilligte Flugblatt-Aktion) erschwert, indem sie mit einem unbekannten Dritten zügig auf einen Polizeibeamten zugegangen sei und habe ihn angeschrien habe. Laut Anklageschrift habe der Polizist Pfefferspray gegen die Beschuldigte einsetzen müssen, um die Verhaftung vollziehen zu können. Die Frau machte von ihrem Schweigerecht Gebrauch und wurde trotzdem (!) freigesprochen.
Aus der NZZ:
Indem die Frau auf den Polizisten zugegangen sei und ihn angeschrien habe, sei die Grenze zu dieser Intensität noch nicht überschritten worden. Was passiert wäre, wenn der Polizist nicht mit einem Pfefferspray gegen sie vorgegangen wäre, wisse man nicht, deshalb könne die Frau auch nicht wegen eines Versuchs verurteilt werden. Die Kosten des Verfahrens wurden auf die Staatskasse genommen. Eine Entschädigung oder Genugtuung erhielt die Beschuldigte, die nichts Entsprechendes beantragt hatte, nicht zugesprochen.
Der Einsatz des Sprays stellt sich somit als besonders edle Handlung des Polizisten heraus, der die gute Frau von der Begehung einer strafbaren Handlung abgehalten hat.
“Die Frau machte von ihrem Schweigerecht Gebrauch und wurde trotzdem (!) freigesprochen.”
Das Mitwirkungsverweigerungsrecht ist Ausfluss der Unschuldsvermutung. Die rechtsgültige Berufung auf ein solches Recht darf entsprechend nicht als Beweis geführt werden. Können Sie mir den oben zitierten Satz erklären? Irgendwie beisst sich dieser gewaltig mit meinen Ansichten des Strafprozessrechts.
Auch mit meinen. Es ist aber einfach eher unüblich, dass Schweigen nicht sanktioniert wird, weshalb ich eine provokative Umschreibung gewählt habe. Meine Erfahrung: schweigen im Vorverfahren ist gut, wenn man “nichts zu verbergen” hat. Vor Gericht ist Schweigen regelmässig die Garantie für den Schuldspruch (consentire videtur).