eGov-Fehlermeldung
Für alle, die Frist mit elektronischen Eingaben zu wahren versuchen, weise ich auf die Praxis des Bundesgerichts hin, die in einem heute publizierten Entscheid bestätigt wird (BGer 7B_348/2024 vom 03.06.2024):
1.3. […]. Nach Art. 48 Abs. 2 BGG ist für die Wahrung der Frist im Falle der elektronischen Einreichung der Zeitpunkt massgebend, in dem die Quittung ausgestellt wird, die bestätigt, dass alle Schritte abgeschlossen sind, die auf der Seite der Partei für die Übermittlung notwendig sind. Das Bundesgericht hat diesbezüglich festgehalten, dass für die Einhaltung einer Frist einzig die rechtzeitige Ausstellung der Abgabequittung massgebend ist, mit welcher die Zustellplattform den Eingang der Meldung bestätigt (Urteil 6B_739/2021 vom 14. Juni 2023 E. 1.2.2 mit diversen Hinweisen).
1.4. Vorliegend hat der Vertreter der Beschwerdeführenden innert der noch laufenden Rechtsmittelfrist keine solche Abgabequittung erhalten, sondern wurde von der Plattform via Fehlermeldung darauf hingewiesen, dass die Datei zu gross war. Die am 20. März 2024 um 21.22 Uhr erneut verschickte Beschwerde ging erst nach Ablauf der 30-tägigen Beschwerdefrist beim Bundesgericht ein.
Wieso das Bundesgericht zwei Monate brauchte, bis dieser Entscheid online gestellt wurde, erkenne ich nicht.
elektronische Beschwerden, welche gesamthaft eine Grösse von über 15?000 Kilobyte aufweisen, werden vom System zurückgewiesen und es erfolgt ein automatisiert ergehender Nichteintretensentscheid (Gesetzestext der im Zuge der Justitia 4.0 neu geschaffenen Bestimmung Art. 48bis BGG)
@aj Das Maximum ist 8 MB. Warum das so ist, ist historisch gewachsen: Die Idee war ursprünglich, dass die elektronische Kommunikation mit RSA-Verfahren ver- und entschlüsselt wird (ähnlich wie das Incamail einst löste): Du erhälst eine mit deinem Publickey verschlüsselte HTML-Datei von einem sicheren Zustelldienst (z.B. post.ch): Mit deinem Privatekey kannst du sie entschlüsseln. Authentizität kannst du überprüfen, da die Nachricht mit dem Publickey des gegenübers signiert wurde.
Und da die meisten Server pro Mail max. 8 MB Anhang erlauben (=die verschlüsselte HTML-Datei) konnte man den meisten Mailserver sowieso nicht mehr als 8MB senden.
Diese eigentlich simple Idee wurde UNNÖTIG verkompliziert: Neu ist es nur möglich Signaturen in bestehende Headers (als Metadaten) einzubauen, somit faktisch nur PDFs, PNGs etc. signiert werden können. Vorher konnte die gesamte Eingabe signiert werden = somit eine Manipulation an den Akten erkannt werden könnte = Heute kann nur eine Manipulation von einzelnen signierten Dateien erkannt werden (natürlich sind die Eingaben als ZIP/Huffman komprimiert und ja theoretisch hat auch dieser einen Hash der als Fingerprint/Signatur verwendet werden könnte, aber das hat nicht die gleiche Rechtsgrundlage wie eine elektronische Unterschrift).
Warum wurde das so gemacht? Die Programmierer haben nun mal Geld gerochen: Anstatt pro Eingabe zu verschlüsseln (und zu verrechnen) können die jetzt pro Datei verschlüsseln und verrechnen 🙂 – Natürlich hat auch die Rechtsprechung hier mitgespielt: Unterschreiben kann bzw. muss man nur in bestimmten Fällen (z.B. Beschwerde etc.) somit nicht jede Eingabe unterschriftsbedürftig ist….
Das letzte Mal, als ich in die elektronischen Unterschriften reinguckte, gab es nur drei Unternehmen, welche über einen Masterkey verfügten und somit weitere Keys daraus ableiten können. Das eine Unternehmen davon, verkaufte sogar den für dich abgeleiteten Privatekey (somit kann man selbst unendlich viele Dateien “kostenlos” signieren) für nur 380? CHF. Das andere Unternehmen (Swisscom) erstellte eine API um alle Dienste rund ums “digitale Signieren” zu automatisieren: Deshalb gibt es so viele WebApps, die rechtsgültige Signaturen anbieten: In Tat und Wahrheit verwenden sie alle Swisscom (das selbst keine solche “Signaturplattform” betreibt, sondern nur eine API dafür) – die Verlangen so ca. 1 CHF pro Signatur = richtig ekelhaft.
Sorry für das Ausschweifen, um zurück zu den 8MB zu kommen: Dieses Maximum heute ist nur noch künstlich da: Die Mails (Eingaben) werden nicht mehr an den Mailserver vom Empfänger gesendet, sondern der Empfänger muss selbst bei der sicheren Zustellplattform angemeldet sein und lädt sie dort herunter.
Ich durfte mit einem ehemaligen Entwickler, der massgebend zur Entwicklung der elektronischen Signaturen beigetragen hat, darüber reden und seine Antwort war: “Wir haben die Datenmenge schlicht unterschätzt. Die Idioten [damit meint er euch Juristen] haben nicht einfach PDFs gesendet, sondern ganze Scans!”.
Und damit sind wir schon am Ende des Dilemmas: 8 MB reichen vollkommen aus! wenn man nicht Fotos, Video etc. sendet (ja Scans sind Fotos – einfach in einem PDF eingebettet).
Wenn man ASCII als Kodierung verwenden würde, dann braucht man 8bit, also ein Byte pro Zeichen (eigentlich ist ASCII 7bit und mit einer richtigen Komprimierung holt man den einen Bit raus, aber das sprengt hier die Erklärung).
8MB = 1024 KB * 8 = 8192 KB.
1 Ziechen = 1 Byte = 8bit.
1 KB = 1024 bytes.
8912 KB = 8’3389’608 bytes und genau so viele (ASCII-)Zeichen passen ohne Komprimierung in 8 MB.
Da wir jedoch Umlaute verwenden, würden wir zumindest latin-1 Kodierung verwenden, was immer noch nur 1 byte pro Zeichen ist (macht das eine unverwendete Bit von ASCII zunutze). Dazu zählen auch Umbrüche, Leerschläge etc.
In der Deutschen Sprache hat eine A4-Seite durschnittlich ca. 1800 Zeichen (mit Leerschlägen, Umbrüchen etc.), somit sind 8MB ca. 4660 Seiten.
Das würde eigentlich für die meisten Verfahren oder für die verfahrensrelevanten Schreiben (Beschwerde, Schriftenwechsel, Urteil etc.) vollkommen ausreichen, aber dazu müssten alle “gleichzeitig” umsteigen: Wenn jedoch Gerichte selbst ihre Urteile in Papierform abgeben, dann geht das natürlich nicht mehr so einfach, denn wenn man gegen das Urteil ein Rechtsmittel ergreift, dann muss man ja das Urteil einscannen und dann wird es wieder schwierig die 8 MB einzuhalten…
Gott sei Dank bin ich nur Jurist….das ist ja chinesisch…?
@eigentlicher Laie Hätte ich die Wahl zwischen IT oder Rechtswissenschaft, würde ich letzteres wählen: IT-Kenntnisse nützen Ihnen vor Gericht wenig bzw. in den meisten Fällen gar nichts.
Umgekehrt sind die Gesetze/Rechtsprechung für andere Fach-Chinesisch:
z.B. das Wort “Rüge”: Als ich es das erste Mal (ca. vor 2 Jahren) gelesen hatte, musste ich erst einmal dieses uralte Wort googeln. Ist aber relativ einfach…
Was ist ein Entscheid? Was ist der Unterschied zwischen Entscheid, Urteil, Verfügung und behördliche Massnahme? Was ist eine prozessleitende Verfügung und ist diese separat (mit separaten Parteien) zum Hauptverfahren, wenn es um die Erbringung einer Sicherheitsleistung geht? Ah ja, was ist der Unterschied zwischen Sicherheitsleistung (=Barvorschuss, Sacheinlage) sowie Vorschuss? Ist eine Fristansetzung bereits eine prozessleitende Verfügung (?) und kann diese vom Kanzleimitarbeiter verfügt werden oder muss es vom Gerichtsschreiber kommen?
Was sind Endentscheide, Zwischenentscheide und Teilentscheide? Was sind prozesserledigende Verfügungen? Warum sind Zwischenentscheide gemäss BGG anders als im ZPO? Was meint das BGG mit Vor- und Zwischenentscheiden?
Was sind selbstständige und unselbständige Zwischenentscheide?
Gibt es sowas wie eine “unselbstständige prozesserledigende (Teil-)Zwischenverfügung”?”
Für Juristen mag das alles logisch und einheitlich klingen, für den Rest ist das jedoch auch Fachchinesisch.
Dieses Urteil bzw. diese Regel ist eigentlich ein Unding. Man stelle sich das Vorgehen des Bundesgerichtes im Analogen vor. Das Bundesgericht verweigert die Annahme eingeschriebener Post und stellt sich dann auf den Standpunkt, es sei keine (rechtzeitige) Eingabe eingetroffen.