Ehre vs. Berufspflicht

Im Kanton Luzern ist ein ausserkantonaler Anwalt wegen Verletzung von Berufsregeln mit einer Busse von CHF 1,000.00 diszipliniert worden. In einem Verfahren vor dem zuständigen Departement bezeichnete der Anwalt eine Verfügung des Regierungsstatthalters C. als abstrus und führte wörtlich aus:

 “Es bleibt nach meiner Beurteilung nur noch eine geistige Beeinträchtigung des Herrn C., sei es durch eine Krankheit, Medikamente oder psychische Umstände. Ein mir bekannter Psychiater hat die Paranoia als mögliche Erkrankung genannt, die zu solchen Desorientierungen führen kann. Diese Krankheit kann temporär auftreten und hat viele Erscheinungsformen:
– Genetische Ursache
– Stress und Durchblutungsstörungen
– Kontraindikation von Medikamenten
– Alkohol- und Drogenabusus.”
Mit diesen Aussagen soll der Anwalt die Generalklausel von Art. 12 lit. a BGFA verletzt haben.

Das Bundesgericht kassiert die Disziplinierung (BGer 2C_551/2014 vom 09.02.2015) , allerdings nicht weil eine Generalklausel die erforderliche Normdichte nicht erfüllen würde, sondern weil sich ein Anwalt halt eben pointiert äussern dürfen muss:
Zwar werden psychiatrische Diagnosen oft auch als Schimpfwort oder Beleidigung verwendet. Trotzdem ist die Aussage, jemand leide allenfalls an einer psychischen Krankheit, per se noch nicht ehrenrührig (vgl. zur Abgrenzung BGE 93 IV 20). Massgebend ist der Kontext, in welchem die Äusserungen gemacht werden. Die Vorinstanz übersieht, dass es dem Beschwerdeführer nicht bloss darum ging, seinem Unmut gegenüber dem Regierungsstatthalter Ausdruck zu verleihen, sondern dass er auf mögliche Missstände hinweisen wollte. Ein solcher Missstand könnte objektiv gesehen auch darin liegen, dass ein Beamter nicht mehr in der Lage ist, sein Amt korrekt auszuüben. Zu beachten ist insbesondere auch, dass der Beschwerdeführer seine Äusserungen im Zusammenhang mit einer Aufsichtsanzeige innerhalb eines behördlichen Verfahrens, also nicht gegenüber der Öffentlichkeit vorbrachte. Dass in diesem Kontext der Massstab grosszügiger sein muss, ergibt sich bereits daraus, dass die Rechtsprechung gegenüber sogenannten Whistleblowern, die an die Presse gelangen – zu Recht – regelmässig festhält, sie hätten sich zuerst an die Aufsichtsbehörde wenden müssen. In diesem Rahmen muss die Äusserung eines Verdachts auf allfällige Amtsunfähigkeit zulässig sein. Dem vorinstanzlichen Urteil und den Akten lassen sich keine Hinweise darauf entnehmen, dass es dem Beschwerdeführer um eine ehrverletzende Diffamierung des Regierungsstatthalters und nicht bloss um Überlegungen im Zusammenhang mit der mit Aufsichtsanzeige verlangten Untersuchung ging. Zwar vermag die Äusserung einer Vermutung, ein Beamter leide unter einer geistigen Beeinträchtigung, diesen durchaus hart zu treffen. Disziplinarrechtlich relevant werden derartige Äusserungen jedoch erst dann, wenn aufgrund der Darstellung des Anzeigeerstatters sich nichts Seriöses ergibt, was einen solchen Vorhalt veranlassen könnte und die Vorwürfe in diesem Sinne als völlig aus der Luft gegriffen erscheinen. Vorliegend hat der Beschwerdeführer in seiner Aufsichtsanzeige dargelegt, wieso er zu seinen Überlegungen im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Regierungsstatthalters kam. Ungeachtet darum, wie fundiert die Überlegungen letztlich sein mögen, kann jedenfalls nicht festgestellt werden, es fehle jeglicher Konnex zu den tatsächlichen Vorgängen und die Vorwürfe seien offensichtlich aus der Luft gegriffen. Weder die Aufsichtsbehörde noch das Kantonsgericht halten solches fest. Dementsprechend ist festzustellen, dass die Vorinstanz zu Unrecht die Äusserungen des Beschwerdeführers disziplinarisch sanktioniert hat (E. 4.3).
Ob auch Strafantrag gestellt wurde, ist aus dem Entscheid nicht ersichtlich. Eine Verurteilung wäre nun aber kaum noch möglich. Anwälte sind aber auch schon für weniger verurteilt worden.