Ehrverletzung als Amtspflicht
Eine Staatsanwältin lehnte sich in einem Strafverfahren gegen eine Treuhänderin sehr weit zum Fenster hinaus und behauptete beispielsweise, es sei “erstellt”, dass die Beschuldigte seit Jahren dem Drogenhandel nachging. Das traf nun allerdings nicht zu und die Beschuldigte wollte es sich verständlicherweise nicht bieten lassen. Sie reichte Strafanzeige gegen die Staatsanwältin ein. Das Obergericht hat nun aber die notwendige Ermächtigung – gemäss Bundesgericht zu Recht – verweigert (BGer 1C_661/2013 vom 26.11.2013). Es gehöre zu den Amtspflichten, Anschuldigen und Verdächtigungen zu erheben. Die Grenze bilde die wider besseres Wissen erfolgte falsche Anschuldigung:
Die Auffassung des Obergerichts, dass das Erheben von Anschuldigungen und Verdächtigungen durch die Staatsanwaltschaft im Rahmen eines Strafverfahrens im Sinn von Art. 14 StGB gesetzlich erlaubt bzw. geboten und damit nicht nach Art. 173 StGB strafbar ist, trifft offensichtlich zu, ebenso wie die weitere Überlegung, dass bewusst falsche Anschuldigungen den Rahmen der Amtspflicht sprengen und grundsätzlich als Verleumdung nach Art. 174 StGB strafbar sind. In tatsächlicher Hinsicht schloss das Obergericht indessen aus, dass die Beschwerdegegnerin ihre Vorwürfe gegen die Beschwerdeführerin wider besseres Wissen erhob (E. 2.2).
Nun, die Staatsanwältin hat eben nicht bloss Verdächtigungen erhoben, sie hat behauptet, der Drogenhandel sei erstellt. Dabei hat sie sich aber bloss geirrt und nicht wider besseres Wissen gehandelt:
In ihrem Gesuch vom 5. März 2010 um Genehmigung einer Telefonüberwachung gegen die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin den sich aus dem Polizeirapport vom 8. Februar 2010 ergebenden Verdacht gegen die Beschwerdeführerin teilweise unzutreffend und zumindest zugespitzt dargestellt. Es war entgegen der Darstellung im Gesuch offensichtlich nicht “erstellt”, dass B. , C. und die Beschwerdeführerin seit mehreren Jahren gemeinsam dem Drogenhandel nachgingen, und die Behauptung, die Beschwerdeführerin sei wegen Betrugs vorbestraft, war falsch. Das ändert allerdings nichts daran, dass gegen die Beschwerdeführerin aufgrund der schweren Belastungen A. s, die aufgrund ihrer geschäftlichen Verbundenheit mit dem Hauptverdächtigen jedenfalls in diesem frühen Stadium der Untersuchung plausibel erscheinen mussten, der dringende Verdacht bestand, massgebend in die Drogengeschäfte B. s verwickelt zu sein. Dies lässt die Stellung des Telefonüberwachungsgesuchs durch die Beschwerdegegnerin gerechtfertigt erscheinen. Vor allem aber hatte die Beschwerdegegnerin zu diesem Zeitpunkt weder sichere Erkenntnisse über die Beteiligung der Beschwerdeführerin an diesen Drogengeschäften noch über ihre Vorstrafen bzw. deren Fehlen. Der Vorwurf, die Beschwerdegegnerin habe die Beschwerdeführerin in ihrem Gesuch vom 5. März 2010 wider besseres Wissen der Mitwirkung am Drogenhandel und einer kriminellen Vergangenheit bezichtigt, lässt sich damit nicht einmal ansatzweise begründen. Ob die Begründung des Gesuchs fehlerhaft, übertrieben oder gar leicht tendenziös ausgefallen sein mag, ist nach dem Gesagten strafrechtlich unerheblich und damit in diesem Zusammenhang ohne Belang (E. 2.2.2).
ich bedanke mich für diesen Beitrag; diese Vorgehen und Urteile betreffen mich. Seit 4 Jahren kämpfe ich vergeblich gegen den Staat; dies ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem ganzen Paket
Als Verteidiger der Betroffenen kann ich noch folgendes ergänzen:
Die angeblichen Belastungen von A. waren nicht schwer. Vom Hörensagen wusste er, dass die Betroffene die Treuhänderin von B. war und meinte – was später klar widerlegt wurde – dieser hätte ihm gesagt, sie erledige alles Finanzielle für ihn.Zudem hatte die Betroffene tatsächlich – nach den Vorgaben von B. eine Erklärung geschrieben, weshalb der Mann Bargeld über die Grenze nehme. Unterschrieben wurde sie aber von B., benutzt wurde sie laut A. nie.
Dass die Betroffene irgendetwas mit dem Handel von Drogen zu tun gehabt hätte, ging aus keiner seiner Aussagen auch nur schon im Ansatz hervor. Die Einstellung der Untersuchung in Sachen Betäubungsmittel gegen meine Mandantin wurde denn auch damit begründet, dass sich “nach Abschluss der (dreijährigen!) Ermittlungen keinerlei Belastungen gegen die Beschuldigte ergeben haben.”
Eine Entschädigung oder Genugtuung wurde dabei verweigert.
Nun muss man sich fragen, weshalb eine Staatsanwältin ohne Hinweise auf Drogenhandel und ohne Vorstrafen der Verdächtigten in einem Gesuch um Telefonüberwachung u.a. schreibt, dass diese Vorstrafen (Mehrzahl!) wegen Betrugs aufweise, und es sei “erstellt”, dass die Beschuldigte mit den zwei anderen seit mehreren Jahren zusammenarbeite und dem Drogenhandel nachgehe.
Damit wurde die bislang unbescholtene Treuhänderin als Schwerstkriminelle hingestellt.
Man muss sich weiter fragen, weshalb die Staatsanwältin im Gesuch unterschlug, dass die Angaben des Zeugen A betreffend angeblicher Erledigung des Finanziellen für B. bloss auf Hörensagen beruhte (selbst das Bundesgericht hat das offenbar übersehen, trotz klarem Hinweis in der Beschwerde).
Man muss sich weiter fragen, weshalb auch weitere Unwahrheiten im Gesuch standen, wie etwa, die Beschuldigte hätte die Telefonanschlüsse von B. nach dessen Verhaftung auf sich umgeleitet (was erstunken und erlogen war) oder sie habe die Scheinfirmen von B. und C. verwaltet, und das, obschon der Zeuge A. sowas auch nicht im Ansatz angedeutet hatte und es auch nicht zutreffend war (was im Übrigen mit einem HR-Auszug rasch überprüfbar gewesene wäre).
Was wollte die Staatsanwältin mit einem derart frisierten Gesuch erreichen? Und wo blieb die Kontrolle des Obergerichts?
Und weshalb schützen die Gerichte dieses Vorgehen?
Wollen wir eine solche Justiz?
Ich nicht.
Sieht man sich einige der letzten Kommentare an, so nimmt die persönliche Betroffenheit in diesem Forum für Straf- und Strafprozessrecht für meinen Geschmack langsam überhand. Die zunehmend einseitigen, parteiischen “testimonials” von angeblichen Justizopfern tragen jedenfalls wenig zu einer sachlich-fachlichen Diskussion bei, für die ich diesen Blog bis anhin geschätzt habe.
@RA: Die meisten Betroffenen blocke ich ja, aber eigentlich mit schlechtem Gewissen. Ich selbst bin ja auch parteiisch und man darf ja ruhig auch sehen, dass es Menschen gibt, die sich – mit oder ohne Grund – als Justizopfer fühlen. Sie nehmen übrigens v.a. dank dem praktischen Strafbefehlsverfahren zu.
RA hat Recht. Die Einschätzung von KJ ist dann richtig, wenn es um Rechtsfragen geht. Hier aber wird von der Betroffenen und ihrem Vertreter ein Verhalten der Behörde kritisiert, zu dem sich diese nicht äussern kann. Dafür sollte hier keine Plattform zur Verfügung gestellt werden.
Ich habe einen Strafbefehl wegen “übler Nachrede” erhalten,
Mein Strafkläger ist Arzt, ich war Patientin
Vorgeschichte: Der Arzt machte eine Falschangabe in der Rechenschaftsablegeung (OR 400), er verrechnte ein Aktenstudium mit fingierten Mails, die ich ihm nachweislich nicht sandte. Der leitende Staatsanwalt findet fingierte Mails abrechnen ist ok, also kein Betrug und keine Urkundenfälschung, ebenso das Obergericht. Natürlich fehlt die konkrete Begründung, das “Heisse Eisen” wurde nicht beurteilt. Da ich nicht Recht bekam, machte nun der Arzt einen Strafantrag gegen mich.
Eine Entbindung der Schweigepflicht liegt nicht vor.
Muss eine Staatsanwältin nicht zuerst überprüfen, ob die formalen Bedingungen für einen Strafantrag erfüllt sind?
Ich habe Einsprache erhoben und ebenfalls wegen “Verletzung des Berufsgeheimnis” einen Strafantrag gegen den Arzt geschrieben.
Hat sich nun die Staatsanwältin strafbar gemacht? Oder sich halt nur geirrt?
Es kann auch sein, dass die Antragsfrist erfüllt ist, aber der Arzt macht sich wegen der Schweigepflichtverletzung strafbar.
Aber eigentlich hätte doch der Arzt in seiner Antragsfrist, die Schweigepflicht-Entbindung einholen müssen?
Interessiert euch das überhaupt?