Ein Fall für Strassburg?
Gegen X. wird ein Strafverfahren durchgeführt wegen Verdachts der Ausnützung einer Notlage und der sexuellen Belästigung. Im Zuge dieser Strafuntersuchung verfügten die Strafverfolgungsbehörden die Durchsuchung der Räumlichkeiten von X. nach pornografischem Material speziell mit Kinderaufnahmen und weiteren Beweismitteln im Zusammenhang mit dem Tatbestand der Ausnützung einer Notlage. Die Durchsuchung führte zur Beschlagnahme von Computern und Datenträgern. Gegen die von der Vorinstanz verfügte Entsiegelung gelangte X. mit staatsrechtlicher Beschwerde ans Bundesgericht. Erfolg hatte er insofern, als das Bundesgericht überhaupt auf die Beschwerde eintrat. In der Sache drang er aber nicht durch (Urteil 1P.621/2006 vom 12.03.2007). Hier ein paar Zitate und Bemerkungen aus dem erstaunlichen Entscheid:
Der Beschwerdeführer fühlt sich offenbar zu Jugendlichen hingezogen, die deutlich jünger sind als er, und der kantonalen Behörde sind der betroffene Jugendliche und dessen Aussagen bekannt. Bei dieser Sachlage ist der Verdacht des Besitzes verbotener Pornografie, namentlich mit Kinderaufnahmen, verfassungsrechtlich haltbar. Der Umstand, dass das Schutzalter des Jugendlichen geringfügig überschritten ist, lässt den Anfangsverdacht nicht verfassungswidrig erscheinen (E. 4.1).
Der Verdacht ist also verfassungsrechtlich haltbar. Wieso er das ist, erfährt der Leser freilich nicht. Es ist halt einfach so.
In der Folge stützt sich das Bundesgericht auf offenbar zweideutige Aussagen von X., welche dieser anlässlich der Hausdurchduchung, also nach Ausstellung des Durchsuchungsbefehls, gemacht hatte. Aber das spielte keine Rolle. Vielleicht wurde es gar nicht gerügt.
Ebenfalls keine Rolle spielte die Tatsache, dass wegen verbotener Pornografie formell gar kein Strafverfahren eröffnet worden war:
Dass die Strafuntersuchung gegen den Beschwerdeführer formell nicht wegen des Verdachts der Pornografie eröffnet wurde, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Für die Zulässigkeit der Beschlagnahme ist erheblich, ob ein Tatverdacht besteht, nicht, ob deswegen formell ein Strafverfahren eröffnet worden ist (E. 4.4).
Und ich dachte immer, bei einem Tatverdacht sei ein Strafverfahren zu eröffnen. Falsch gedacht!
X. rügte auch eine Verletzung des Diskriminierungsverbots (Art. 8 Abs. 2 BV). Bei heterosexuellen und mit gleichaltrigen Partnerinnen oder Partnern verkehrenden Männern werde niemand auf die Idee kommen, einen Besitz verbotener Pornografie zu konstruieren, wenn diese ausführten, sie hätten pornografisches Material auf ihrem Computer gespeichert. Dieses Argument kontert das Bundesgericht wie folgt:
Das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wird nicht wegen seiner Homosexualität, sondern wegen einer sexuellen Beziehung mit einem 16-jährigen Jugendlichen geführt, dessen sexuelle Selbstbestimmung beeinträchtigt sein könnte. In diesem Zusammenhang steht der Pornografieverdacht. Es ist offensichtlich, dass strafbare Handlungen durch das Diskriminierungsverbot von Art. 8 Abs. 2 BV nicht geschützt werden. (…). Da Beschlagnahme und Entsiegelung wegen eines begründeten strafrechtlichen Verdachts und nicht wegen der Lebensform des Beschwerdeführers bewilligt wurden, ist sein Vorbringen unbegründet (E. 5.2).
So einfach kann Rechtsprechung sein.