Ein Lebensvorgang, ein Urteil

Hat ein in der Anklageschrift enthaltener Lebensvorgang zu einem rechtskräftigen Freispruch geführt, dann ist dieser Lebensvorgang strafrechtlich erschöpfend beurteilt. Nicht zulässig (Verletzung von ne bis in idem) ist es, denselben Lebensvorgang unter einem anderen Tatbestand noch einmal zu beurteilen. Dies erläutert das Bundesgericht dem Obergericht ZH (BGer 6B_514/2020 vom 16.12.2020):

Der an den Beschwerdeführer in der Anklage gerichtete Vorwurf des Packens der Privatklägerin von hinten, wobei er diese mit seinem rechten Unterarm in den Würgegriff genommen habe, umschreibt indessen einen einzelnen Lebensvorgang bzw. eine einzelne Tat im prozessualen Sinne. Dem erstinstanzlichen Schuldspruch wegen einer Tätlichkeit gemäss dem zweiten Absatz der Anklage und dem erstinstanzlichen Freispruch wegen Gefährdung des Lebens liegt damit ein und derselbe Lebenssachverhalt zugrunde. Die Erstinstanz hätte den Beschwerdeführer folglich nicht vom Anklagevorwurf gemäss zweitem Absatz der Anklage freisprechen und ihn für die gleiche Tat wegen einer Tätlichkeit verurteilen dürfen. Hat sie den zweiten Absatz der Anklage – wie von der Vorinstanz angenommen – abweichend von der Staatsanwaltschaft rechtlich als Tätlichkeit (und nicht als Gefährdung des Lebens) würdigen und den Beschwerdeführer nach dieser gesetzlichen Bestimmung (Art. 126 StGB) schuldig sprechen wollen, hätte kein Freispruch wegen Gefährdung des Lebens ergehen dürfen (E. 1.4).