Ein neuer Expertenstrafprozess, diesmal in der Waadt

Die Serie der “grossen” Wirtschaftsstrafprozesse in der Schweiz wird fortgesetzt. Heute hat in Lausanne das Hauptverfahren gegen vier ehemalige Manager der Waadtländer Kantonalbank sowie gegen zwei Revisoren begonnen. Am ersten Verhandlungstag scheinen laut Tages-Anzeiger Verfahrensfragen im Vordergrund gestanden zu haben. Offenbar stiessen sich die Verteidiger auch hier (vgl. SAirGroup / Schellenberg) um den Einsatz eines sog. Experten der Anklage:

Bei ihren Vorwürfen stützt sich die Staatsanwaltschaft vor allem auf den Bericht «Bernasconi». Darin hatte der ehemalige Tessiner Staatsanwalt Paolo Bernasconi die Vorkommnisse analysiert und den Schluss gezogen, dass die Manager die Bilanz manipuliert hatten.

Die Verteidiger sprachen am Montag Bernasconi die Qualifikation ab, solche Schlüsse zu ziehen. Da er kein Bankfachmann sei, gleiche der Bericht eher einer Anklageschrift als einem Experten-Gutachten, erklärten sie. Damit sei die Unschuldsvermutung verletzt worden, sagten sie und verlangten eine neue unabhängige Expertise.

Es scheint sich einmal mehr zu bestätigen, dass in grossen Wirtschaftsstrafprozessen nur mit Hilfe von “Experten” überhaupt eine Anklage konstruiert werden kann. Wenn aber die Strafverfolgungsbehörden für die Wahrnehmung ihrer ureigensten Aufgaben auf Experten angewiesen sind, erweckt dies den Eindruck, dass es primär darum geht, Prügelknaben zu finden, die ohne Gesichtsverlust an den strafprozessualen Pranger gestellt werden können.