Eine Gesellschaft getäuscht
Eine Gesellschaft kann wohl „Opfer“ eines Betrugs werden. Getäuscht werden können aber immer nur natürliche Personen.
Das muss das Bundesgericht der bernischen Justiz in Erinnerung rufen (BGer 6B_934/2017, 6B_954/2017 vom 22.03.2018)
Der Beschwerdeführer 2 beanstandet zu Recht, es mangle ausgehend von den vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen an einer Täuschung im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB. Bei der Beschwerdegegnerin 3 handelt es sich um eine juristische Person. Einer Täuschung nach Art. 146 Abs. 1 StGB unterliegen können daher nur die für sie handelnden natürlichen Personen (vgl. Art. 55 Abs. 1 ZGB). Welche – allenfalls für die Vertragsabschlüsse verantwortlichen – natürlichen Personen konkret getäuscht wurden, zeigt die Vorinstanz allerdings nicht auf. Solches ergibt sich auch nicht aus der Anklageschrift, die C. und dem Beschwerdeführer 2 ebenfalls vorwirft, sie hätten die Beschwerdegegnerin 3 getäuscht (E. 2.4).
Auch die Selbsttäuschung ist keine Täuschung i.S.v. Art. 146 StGB:
In der Anklageschrift wird ihm zudem vorgeworfen, er habe nicht nur die Offerten einholen, sondern auch die Bestellungen machen und die Abwicklung der Projekte überwachen müssen. Nicht ausgeschlossen werden kann daher, dass C., auch wenn er selber für die Beschwerdegegnerin 3 nicht zeichnungsberechtigt war, bei dieser intern die Stellung eines Geschäftsführers im Sinne von Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 StGB (siehe dazu etwa BGE 142 IV 346 E. 3.2 S. 350 mit Hinweisen) innehatte und dass er – wie in der Beschwerde geltend gemacht – niemanden täuschte, sondern durch seine Handlungen vielmehr das in ihn als leitender Angestellter gesetzte Vertrauen missbrauchte. Bei dieser Sachlage käme ein Schuldspruch des Beschwerdeführers 2 wegen Betrugs, begangen in Mittäterschaft mit C. nicht in Betracht. Da der Beschwerdeführer 2 selber nicht für die Beschwerdegegnerin 3 tätig war, kann er sich von vornherein auch nicht als Mittäter der ungetreuen Geschäftsbesorgung zu deren Nachteil strafbar gemacht haben (E. 2.4).
Nach diesem Urteil stellt sich mir die Frage, ob nicht das Anklageprinzip verletzt wäre, wenn eine Anklageschrift beispielsweise bei einem IV-Betrug nicht die natürliche Person nennt, welche getäuscht worden sein soll… Diesfalls müssten die Anklagebehörden wohl über die Bücher und künftig sauberere Anklageschriften verfassen, sofern dies denn überhaupt möglich sein sollte.
Ferner bin ich zudem davon ausgegangen, dass der Getäuschte auch derjenige sein muss, welcher die Vermögensdisposition vornimmt.
Das sehe ich auch so: Anklage muss die getäuschte Person nennen. Ihren letzten Kommentar teile ich ebenfalls. Wenn die getäuschte Person aber für eine juristische Person handelt und die verfügende ebenfalls, dann ist diese TB-Element wohl erfüllt (wenn die Verfügung auf den durch die Täuschung bewirkten Irrtum zurückzuführen ist).
Grundsätzlich (bei natürlichen Personen) stimme ich Ihnen uneingeschränkt zu. Bei juristischen Personen oder Behörden aber nicht. Es ist bereits illusorisch davon auszugehen, in grösseren Konzernen oder Behörden den gesamten Verfahrensablauf einer Vermögensdisposition mit genauem Namen eruieren zu können. Da trifft eh nie 1 Person die Entscheidungen und führt dann auch noch den Zahlungsprozess aus. Das wird je nach Grösse und Organisation auf unzählige Köpfe verteilt. Davon abgesehen hätten solche Ausführungen (wenn sie überhaupt im Nachhinein ermittelt werden könnten), kaum eine Relevanz. Es ist für die Beschuldigten doch meist völlig irrelevant, wer was wie genau bei der geschädigten jur. Person macht. Die Beschuldigten wollen die für die Behörde/Gesellschaften tätigen, verantwortlichen Personen täuschen. Es ist für den Beschuldigten nicht von Belang, wie diese alle heissen und in welcher Funktion sie ihre Entscheidkompetenz haben – zumindest solange die Arglist geprüft werden kann. Und diese wird nicht von den einzelnen Namen abhängig sein. Im Übrigen sind diese Personen den Beschuldigten grossmehrheitlich wohl auch völlig unbekannt.
Wir sollten doch bei einem strafrechtlichen Vorwurf das strafbare Verhalten in den Vordergrund rücken und nicht die einzelnen Funktionsweisen in den Zahlungsprozessen einer geschädigten Unternehmung oder einzelner Behörden.
Bin damit durchaus einverstanden. Aber auch im Strafrecht ist der Erfolg (und damit oft auch die gewünschte Reaktion des „Geschäftspartners“) Teil des Tatbestands. Wenn man offener bestrafen will, dann muss man im Rahmen des Bestimmtheitsgebots halt auch offener legiferieren. Beispiel Betrug: Wenn man die Überlistung von Automaten erfassen wollte, müsste man den Irrtum aus dem Tatbestand entfernen.
Der Vergleich mit dem Automaten ist aber nicht fair. Der Betrug setzt die Täuschung eines Menschen (und nicht eines Automaten) voraus (und dies scheint in diesem Fall nicht das Streitthema zu sein) – ich bin einfach der Meinung, diese Menschen müssen nicht (immer) namentlich benannt werden (können). Menschen bleiben sie aber trotzdem (und müssen sie für den Tatbestand auch sein).
Ich mache Ihnen ein völlig anderes Beispiel, um meinen Standpunkt zu verdeutlichen: Ich will irgendeinen Menschen töten und schiesse dann wahllos auf einen zufällig anwesenden Obdachlosen. Nun kann man den Namen dieses Obdachlosen nicht mehr eruieren (weshalb auch immer). Sehen Sie da auch ein unüberwindbares Problem mit der Anklageschrift? Auch bei der Tötung ist (wie beim Betrug) der Mensch Teil des Tatbestandes – aber eben einfach irgendein Mensch, der Name kann doch in so einer Konstellation nicht von Belang sein.
Bin immer noch einverstanden. In Ihrem Beispiel wurde der Tatbestand zweifelsfrei erfüllt. Auch Namenlose können getötet werden. Der Mörder muss sein Opfer ja nicht kennen. Beim Betrug zum Nachteil einer juristischen Person liegen die Dinge anders, u.a. weil er die Reaktion des Opfers (Irrtum, Vermögensverfügung) auf die Aktion des Täters (arglistige Täuschung) zum Tatbestandselement macht. Betrug ist ein Selbstschädigungsdelikt. Das Problem mit dem Betrug zum Nachteil einer juristischen Person ist in manchen Konstellationen mit dem heute geltenden Strafbestimmung einfach nicht lösbar bzw. eben nicht strafbar.
Wir sind uns zwar in der Theorie einig, aber offensichtlich nicht in der Schlussfolgerung im hier diskutierten Anwendungsbereich.
Der Mörder muss sein Opfer nicht kennen und der Betrüger muss die für die eine juristische Person handelnden Menschen ebenfalls nicht kennen (und tut dies auch regelmässig nicht)… Ich sehe bei beiden Tatbeständen nicht, weshalb für die Erfüllung der Tatbestände die Namen der Menschen bekannt sein müssten resp. welchen Sinn dies im Hinblick auf die Informations- und Umgrenzungsfunktion der Anklageschrift haben sollte (zumindest solange diese Namen nicht vom Vorsatz miterfasst waren). Solange festgesteht, dass Menschen getäuscht wurden und irrtumsbedingt über Vermögen der jur. Person verfügten, ist den Tatbestandsmerkmalen des Betrugs m.E. genüge getan und erfüllt die Anklageschrift ihren Zweck – egal wie die Namen der Menschen lauteten, die alle für die jur. Person gehandelt haben.
In diesem Sinne: Namen sind Schall und Rauch… 😉