Einfache oder grobe Geschwindigkeitsüberschreitung?

Das Obergericht BE muss eine SVG-Strafsache nach einer neuerlichen Zurückweisung durch das Bundesgericht ein drittes Mal entscheiden (BGer 6B_613/2018 vom 07.01.2018; vgl. den ersten Rückweisungsentscheid 6B_95/2017 vom 22.05.2017), weil es offenbar die Bindungswirkung des ersten Entscheids nicht berücksichtigt hatte.

In der Sache geht es um einen Fahrzeuglenker, der in Burgdorf in einer Tempo-30-Zone mit 52 km/h (nach Abzug der Sicherheitsmarge) geblitzt wurde. Der Lenker machte geltend, er habe das entsprechende Schild nicht gesehen und habe es auch nicht sehen könnten. Damit drang er auch vor Bundesgericht nicht durch. Hingegen war für das Bundesgericht unklar, ob
ob die objektiven Voraussetzungen der groben Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Abs. 2 SVG erfüllt waren. Das muss die Vorinstanz nun nochmals prüfen:

Die Vorinstanz äussert sich in ihren Erwägungen zum objektiven Tatbestand nicht zu den konkreten Umständen an der Technikumstrasse; sie führt einzig aus, die nahe Möglichkeit einer konkreten Gefährdung der Sicherheit der übrigen Verkehrsteilnehmer und Fussgänger sei im gesamten Gsteigquartier insbesondere aufgrund der hohen Frequenz von Fussgängern zu bejahen. Diesbezüglich wendet der Beschwerdeführer zu Recht ein, dass es für die Beurteilung seines Verhaltens nicht auf die Situation im gesamten Gsteigquartier ankommt, sondern einzig die konkreten Umstände an der Technikumstrasse im Zeitpunkt der Geschwindigkeitsüberschreitung massgebend sind. Hierzu trifft die Vorinstanz keine expliziten Feststellungen. Ihren Erwägungen zur Strafzumessung ist immerhin zu entnehmen, dass sie auf die Darstellung des Beschwerdeführers abstellt, wonach es am 12. April 2014 um ca. 15.00 Uhr an der Technikumstrasse keinen Verkehr hatte, keine Fussgänger die Strasse überqueren wollten oder auf den beidseitig der Fahrbahn verlaufenden Gehsteigs unterwegs waren, die Witterung trocken und es hell war (Urteil S. 12). Der Beschwerdeführer bringt ergänzend vor, die Geschwindigkeitsmessung sei in der Mitte eines ca. 900 Meter langen Strassenabschnitts erfolgt, in welchem die Technikumstrasse schnurgerade und in Fahrtrichtung Lyssachstrasse abschüssig verlaufe. Die Technikumstrasse sei relativ breit und werde auf diesem Strassenabschnitt lediglich auf einer Seite von Wohnhäusern gesäumt, die durch einen Gehsteig von der Fahrbahn abgegrenzt würden. Auf der anderen Seite befänden sich bloss Parkplätze und Grünstreifen. Öffentliche Gebäude habe es im besagten Strassenabschnitt keine. Zudem sei an einem Samstag nicht mit einer hohen Frequenz von Fussgängern – insbesondere nicht mit Schülern und Studenten – zu rechnen. Auch habe es auf der Technikumstrasse keine baulichen Hindernisse zur Verengung der Fahrbahn (Beschwerde S. 12). Sollten sich die tatsächlichen Gegebenheiten im fraglichen Abschnitt der Technikumstrasse so gestalten, wie vom Beschwerdeführer dargelegt, wäre ihm zuzustimmen, dass sich der Strassenabschnitt nur unwesentlich von einer Innerortsstrecke mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h unterscheidet. Die Geschwindigkeitsüberschreitung des Beschwerdeführers wäre diesfalls mangels erhöhter abstrakter Gefährdung der Verkehrssicherheit objektiv nicht als grobe Verkehrsregelverletzung einzustufen und der vorinstanzliche Schuldspruch würde gegen Bundesrecht verstossen. 
Da sich die tatsächlichen Gegebenheiten aus dem vorinstanzlichen Urteil nicht genügend detailliert ergeben, kann das Bundesgericht nicht abschliessend beurteilen, ob die objektiven und letztlich auch die subjektiven Voraussetzungen der groben Verkehrsregelverletzung erfüllt sind. Die Vorinstanz hat demnach ihre Sachverhaltsfeststellung zu ergänzen (vgl. Art. 112 Abs. 1 lit. b i.V.m. Abs. 3 BGG; BGE 141 IV 244 E. 1.2.1 S. 246) [E. 1.6].

Das wird sie tun. Wie sie es tun wird, ohne die Bindungswirkung erneut zu verletzen, ist mir allerdings ein Rätsel:


Andererseits hielt das Bundesgericht verbindlich fest, dass eine erhöhte abstrakte Gefährdung der Verkehrssicherheit zu verneinen ist, wenn sich die tatsächlichen Gegebenheiten in der Technikumstrasse so gestalten, wie vom Beschwerdeführer in seiner ersten Beschwerde in Strafsachen geschildert. Hinsichtlich dieser äusseren, baulichen Gegebenheiten hält die Vorinstanz zusammengefasst fest, dass die Technikumstrasse gerade sowie ab der Kreuzung mit der Friedeggstrasse leicht abschüssig verlaufe und es im Bereich der Geschwindigkeitsüberschreitung weder öffentliche Gebäude noch bauliche Hindernisse zur Verengung der Fahrbahn habe. Aus der Fahrtrichtung des Beschwerdeführers Richtung Lyssachstrasse (nachfolgend: Fahrtrichtung) betrachtet, befänden sich auf der linken Strassenseite (unübersichtliche) Hauseingänge beziehungsweise Garageneinfahrten, an welche ein zwei Meter breites Trottoir angrenze. Auf der rechten Seite werde die Technikumstrasse von Parkplätzen gesäumt, die jeweils nach zwei Parkplätzen durch eine begrünte Lücke, deren Bepflanzung die Sicht auf geparkte Autos und Personen verdecke, unterbrochen würden. Die Parkplätze grenzten direkt an die Strasse an, wobei sie optisch durch Pflastersteine von der Fahrbahn abgegrenzt seien, das Trottoir auf der rechten Strassenseite liege hinter beziehungsweise neben den Parkplätzen. Unmittelbar nach der Radarmessstelle auf der gegenüberliegenden, in Fahrtrichtung gesehen linken Strassenseite münde die Max-Buri-Strasse in die Technikumstrasse ein. Aufgrund der Mauer und der Hecke auf der linken Strassenseite sei die Stelle unübersichtlich. Der auf der Technikumstrasse fahrende Fahrzeuglenker sei gegenüber einem aus der Max-Buri-Strasse einbiegenden Verkehrsteilnehmer vortrittsberechtigt. Direkt gegenüber der Einmündung der Max-Buri-Strasse befänden sich auf der rechten Strassenseite zwei Sitzbänke, die nicht durch ein Trottoir von der Strasse abgegrenzt würden. Unterhalb der Stelle, an welcher sich die Sitzbänke befänden und an welcher die Max-Buri-Strasse in die Technikumstrasse einmünde, ende auf der rechten Seite ein Radweg in die Technikumstrasse (Urteil S. 13 ff.). [E. 1.5.3].

Da bleibt wohl nur die einfache Verletzung.