Einvernahme während ärztlicher Konsultation?

Das Bundesgericht sieht im Zusammenhang mit der Verhandlungsfähigkeit einer Auskunftsperson (es erfolgte dann ein Rollenwechsel, dessen Folgen noch offen sind) kein Problem dabei, dass die Einvernahme unmittelbar nach einem schweren Verkehrsunfalls im Spital durchgeführt wird und die Einvernahme mehrfach wegen ärztlicher Konsultationen unterbrochen werden muss (BGer 1B_48/2016 vom 23.05.2016).

Weil in der Schweiz Einvernahmen in der Regel nur schriftlich festgehalten werden, kann für die Frage der Verhandlungsfähigkeit eben nur auf das Ergebnis, das Protokoll abgestellt werden. Dass das mit der Realität in der Regel nicht allzu viel zu tun hat, weiss eigentlich jeder, der ab und zu einer Einvernahme beiwohnt.  Aus dieser Sicht wirken die Erwägungen des Bundesgerichts eher realitätsfremd:

Im vorliegenden Fall ist dem in den Akten liegenden Bericht eines involvierten Polizeibeamten zu entnehmen, dass der behandelnde Arzt Dr. I. am 10. August 2015 auf Anfrage erklärt habe, der physische und psychische des Beschwerdeführers sei insoweit stabil, als er schriftlich einvernommen werden könne (Verwaltungsbericht der Kantonspolizei vom 4. September 2015). Daran ändert nichts, dass dieser zu einem späteren Zeitpunkt auf die Stellungnahme von Dr. H. hinwies. Der die Einvernahme durchführende Polizeibeamte führte in seinem Bericht aus, diese habe mehrmals unterbrochen werden müssen, damit die Konsultation des Beschwerdeführers, namentlich durch den behandelnden Arzt, durchgeführt werden konnte (Verwaltungsbericht der Kantonspolizei vom 7. September 2015). Insoweit ist mit der Staatsanwaltschaft davon auszugehen, dass die Einvernahme bei entsprechenden Anzeichen jederzeit vom Betreuungspersonal hätte abgelehnt bzw. unterbrochen werden können, was jedoch nicht geschehen ist. Zudem ist der Vorinstanz darin zuzustimmen, dass die protokollierten Aussagen des Beschwerdeführers klar, widerspruchsfrei und detailliert sind, weshalb naheliegt, dass ihm die Tragweite seiner Antworten bewusst war. Mithin steht aufgrund der Umstände des konkreten Falls die Rechtswidrigkeit des Beweismittels zumindest nicht ohne Weiteres fest (E. 2.5.3).

Dass das Protokoll klar, widerspruchsfrei und detailliert war, überrascht nicht. Ich habe jedenfalls selten eines gesehen, das nicht klar und widerspruchsfrei war. Das hat mit der Praxis zu tun, dass die Protokolle nicht das Ergebnis von Aussagen sind, sondern das Ergebnis von Verhandlungen über den Inhalt. Für erfolgreiche Verhandlungen ist eine mehrfach für medizinische Konsultationen unterbrochene Einvernahme denkbar ungeeignet.