Einvernahmeprotokolle
Das Dauerärgernis Einvernahmeprotokolle findet ab und zu Eingang in Urteile des Bundesgerichts, so in BGer 1B_320/2013 vom 22.01.2014. Danach hat ein Beschuldigter behauptet, ein Untersuchungsbeamter sei befangen, weil er ihm anlässlich einer Einvernahme erklärt habe, es würde ungeachtet der Ergebnisse der Einvernahmen am Strafbefehl festgehalten.
Das Bundesgericht macht, was man bei solchen rügen immer macht: man liest das entsprechende Einvernahmeprotokoll und stellt fest:
Ausser der unbelegten Behauptung des Beschwerdeführers spricht allerdings nichts dafür, dass sich der Untersuchungsbeamte in dieser Weise äusserte; dem Einvernahmeprotokoll ist jedenfalls nichts Derartiges zu entnehmen (E. 2.2).
Ist das Bundesgericht der Meinung, dass solche Äusserungen – so sie denn erfolgten – zu protokollieren wären? Nach dem Wortlaut von Art. 78 Abs. 1 StPO wären sie es nicht. Ist das ein Versehen oder ein bewusster Entscheid?
Das Bundesgericht ist offenbar der Meinung, dass alle wesentlichen Äusserungen – auch der Strafverfolgungsbehörden – zu protokollieren sind. Das finde ich sehr begrüssenswert.
Gemäss Art. 78 StPO wären ja auch nur entscheidende Fragen (wörtlich) zu protokollieren, andere aber wohl gar nicht (?). Andererseits: Wer kann schon beurteilen, ob eine Frage entscheidend ist oder nicht.
Wer eine derartige Aussage macht, zeigt, dass er befangen ist. Dies wird er aber ganz offensichtlich nie mit einer Protokollierung belegen – wie immer die gesetzlichen oder bundesgerichtlichen Anforderungen für die Protokollierung auch lauten. Demzufolge ist die Begründung des Bundesgerichtes in concreto nicht haltbar.
Einen Ausweg sehe ich, indem die Partei in casu folgendes zu Protokoll erklärt: “Ich habe jetzt gerade von Ihnen gehört, dass Sie gesagt haben, es würde ungeachtet der Ergebnisse der Einvernahmen am Strafbefehl festgehalten.”
Allenfalls kann die Partei beim Unterschreiben des Protokolls einen entsprechenden handschriftlichen Vermerk anbringen.
Diesen Satz dann aber bitte gleich diktieren (Art. 78 Abs. 4 StPO), falls es die Hohe Verfahrensleitung gestattet.
Falls sie es nicht gestattet, könnte der Befragte immer noch die Unterschrift verweigern. Dann ist sie nämlich – so verstehe ich zumindest den Wortlaut – gezwungen selbst zu vermerken, dass der Befragte die Unterschrift verweigert und welche Gründe er dafür angegeben hat (Art. 78 Abs. 5 StPO).
Da bleiben aber immer noch zwei Probleme: Ist sich ein nicht anwaltlich vertretener Beschuldigter dieser Möglichkeit bewusst? Und wie gut sind die Chancen, wenn die Verfahrensleitung auch hier nicht korrekt verfährt? Die Behauptung bleibt für das BGer dann ja immer noch unbelegt…
Die Unterschrift zu verweigern ist ein Recht, von dem viel zu wenig Gebrauch gemacht wird. Selbst wenn sich die Verfahrensleitung auch dabei nicht korrekt verhalten und die Gründe nicht richtig festhalten würde, müsste dem Richter später vor Gericht ja doch zumindest bewusst werden, dass Meinungsverschiedenheiten über den Inhalt des Protokoll bestanden. Aber was sag ich denn hier. Bis zu einem Richter schaffen es ja nur noch die Allerwenigsten.
Im Nachhinein ist man immer schlauer! Ich wollte zwei mal am ende in einem Einvernahmeverfahren (ohne Anwaltliche Unterstützung) die Unterschrift verweigern. Der einvervehmende Beamte hat mich regelrecht aufdringlich aber schon fast freundschaftlichem Tonfall “beraten” dass dies für den weiteren Verlauf der Strafanzeige besonders nachteilig wäre! Bei der nachfolgenden Vorladung bei der Frau Staatanwältin (Nach meiner Akteneinsicht) hatte diese das Strafmass bereits vorliegen. Ich wollte auf einige Punkte im Einvernahmeprotokoll sowie zu den vorliegenden Indizien/Beweisen eingehen. Darauf wurde nur halbherzig eingegangen. Die entsprechenden Punkte im Protokoll hat sie keines Blickes gewürdigt. Ich hätte nach der schriftlichen Eröffnung die Möglichkeit Einsprache zu erheben. Nach der schriftlichen Strafmasseröffnung fand ich die Strafe auch bei realistischer und sachlicher Selbstbeurteilung noch immer absolut unverhältnismässig. Vergleiche mit anderen Urteilen gaben mir anschliessend recht. Als ich dann tatsächlich Einsprache erhob hat mich dieselbe Staatsanwältin telefonisch kontaktiert und mir eindringlich geraten die Einspräche zurückzuziehen. Begründung: Die Strafe würde wahrscheinlich noch schwerer ausfallen und es würden erhebliche Mehrkosten auf mich zukommen. Natürlich war ich wieder zu eingeschüchtert. Heute lässt sich daran zwar nichts mehr ändern. Sollte ich in Zukunft aber wieder mal in Konflikt kommen werde ich sowohl eine Aussage wie auch die Unterschrift verweigern. Und vorallem nicht mehr die Kosten eines Anwaltes scheuen!
Eigentlich müsste es den Strafverfolgern verboten werden, eine beschuldigte Person in irgend einer Weise zu beraten. Dass neuerdings aus Art. 3 StPO sogar eine Art Beratungspflicht abgeleitet wird (à la “wenn Sie weiterhin keine Aussage machen wollen, können wir die Kollusionsgefahr nicht ausräumen und müssen Haftantrag stellen”), bringt die Strafverfolger immer wieder an den Rand der Nötigung und des Amtsmissbrauchs. Daher schlage ich vor, auf jegliche “amtliche” Beratung zu verzichten. Wer Beratung braucht, der wähle (und zahle) seinen eigenen Berater. Wer das nicht kann und keinen Anspruch auf amtliche Verteidigung hat, hat Pech gehabt. So will das unser Recht.
Kann ich – als Befragter – bei einer Einvernahme durch die Polizeit (im Auftrage der Staatsanwaltschaft) eine Kopie des von mir unterzeichneten Protokolls verlangen?
Dankr für ein kurzes Feedback
@FJL: Die Praxis ist unterschiedlich. In den meisten Kantonen darf die Polizei nichts herausgeben (sagt sie jedenfalls). Manche Polizisten tun es dann aber trotzdem. Klar ist, dass man nichts unterzeichnen sollte, wovon man keine Kopie erhält. Ich würde das also klären, bevor ich unterschreibe. Kriege ich nichts, kriegen die auch keine Unterschrift.
https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight_docid=aza%3A%2F%2F30-03-2020-1B_89-2020&lang=de&type=show_document&refresh=1&zoom=YES&
Da die Protokollierung sowieso lästig ist, wird dem Rechtsanwalt untersagt Ergänzungsfragen zu stellen. Verfahrenseffizienz in Basel-Stadt ganz neu definiert, aber der Stimmbürger wollte es offenbar so.