Einziehung auch nach Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes

In einem zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenen Urteil hat das Bundesgericht entschieden, dass die Einziehung nach Art. 70 Abs. 1 StGB bzw. die Ersatzforderung nach Art. 71 Abs. 1 StGB auch dann zur Anwendung kommt, wenn der rechtmässige Zustand durch Vergleich wiederhergestellt wurde (BGE 6B_491/2012 vom 18.04.2012).

Die Einziehung und die staatliche Ersatzforderung beruhen auf dem Gedanken, dass sich strafbares Verhalten nicht lohnen darf (BGE 129 IV 305 E. 4.2.5; 117 IV 107 E. 2a; je mit Hinweisen). Die Einziehung des durch die Straftat erlangten Vermögenswerts kommt nur in Betracht, sofern er nicht dem Verletzten zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt wird. Die Aushändigung an den Verletzten gemäss Art. 70 Abs. 1 in fine StGB hat somit Vorrang vor der Einziehung (BGE 129 IV 322 E. 2.2.4 mit Hinweisen).

Die Einziehung ist eine strafrechtliche sachliche Massnahme. Sie ist zwingend anzuordnen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Einziehung steht auch bei Delikten gegen den Einzelnen nicht zur Disposition des durch die Straftat Geschädigten. Sie knüpft nicht an die rechtswidrige schädigende Handlung, sondern an die Straftat an. Verzichtet der Geschädigte beispielsweise im Rahmen eines Vergleichs gänzlich oder teilweise auf Schadenersatz beziehungsweise Restitution, so bleibt die schädigende Handlung gleichwohl eine Straftat und ist der dadurch erlangte Vermögenswert einzuziehen. Ein Vergleich steht der Einziehung nicht entgegen (anderer Auffassung NIKLAUS SCHMID, Kommentar Einziehung, Organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, Bd. I, 2. Aufl. 2007, Art. 70-72 StGB N. 67 Fn. 379, N. 99; wohl auch FLORIAN BAUMANN, Basler Kommentar, Strafrecht I, 2. Aufl. 2007, Art. 70/71 StGB N. 35). Dabei ist es unerheblich, in welchem Verhältnis die Vergleichssumme zum Schaden respektive zum Vermögensvorteil steht. Die Ansicht, dass ein Vergleich der Einziehung nicht entgegensteht, wird auch von der – wohl herrschenden – Lehre in Deutschland vertreten (SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER, Kommentar, 28. Aufl. 2010, § 73 D-StGB N. 23, 27; THOMAS FISCHER, Kommentar, 60. Aufl. 2013, § 73 D-StGB N. 23; vgl. auch BGH vom 11. Mai 2006 in NStZ 2006 S. 621 ff.; OLG München vom 19. April 2004 in NStZ 2004 S. 443 f.). Die Ausschlussklausel im Sinne von Art. 70 Abs. 1 in fine StGB kann nicht als ein Privileg des Täters beziehungsweise des Einziehungsbetroffenen verstanden werden. Der Schutzzweck von Art. 70 Abs. 1 in fine StGB, wonach der durch die strafbare Handlung erlangte Vermögenswert dem Geschädigten in einem einfachen Verfahren ausgehändigt wird, der Täter aber nicht zweimal zahlen soll, kann den Abschöpfungszweck von Art. 70 Abs. 1 StGB, wonach sich strafbares Verhalten nicht lohnen darf, nicht aushebeln. Der Geschädigte kann zwar darüber entscheiden, was er vom Täter oder vom Dritten, der von der Tat profitierte, herausverlangen will. Er kann aber nicht darüber entscheiden, was der Täter oder der Dritte durch die Tat erlangt hat und behalten darf (E. 5.3).

Das Gesagte gilt auch, wenn die Straftat nur auf Antrag zu verfolgen ist. Immerhin ist eine Doppelbelastung des Einziehungsschuldners zu vermeiden. Was in Erfüllung des Vergleichs bezahlt wurde, ist von der Ersatzforderung in Abzug zu bringen:

Nach der Rechtsprechung ist der durch ein Antragsdelikt erlangte Vermögenswert auch einzuziehen, wenn ein gültiger Strafantrag fehlt. Denn es ist nicht ersichtlich, weshalb sich in diesem Fall ein tatbestandsmässiges und rechtswidriges Verhalten doch lohnen darf (BGE 129 IV 305 E. 4.2). Daraus folgt a fortiori, dass ein Vergleich der Einziehung nicht entgegensteht. Durch den Vergleich wird zwar zwischen den Parteien der rechtmässige Zustand wiederhergestellt. Dies bedeutet aber nur, dass eine Aushändigung des durch die Straftat erlangten Vermögenswerts an den Verletzten im Sinne von Art. 70 Abs. 1 in fine StGB zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes nicht mehr zu erfolgen hat. Daraus folgt nicht, dass die Einziehung ausser Betracht fällt. Vielmehr muss der durch die Straftat erlangte Vermögenswert eingezogen werden, sofern und soweit er aus irgendwelchen Gründen nicht gemäss Art. 70 Abs. 1 in fine StGB dem Verletzten zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt wird. Bei der Bestimmung der Einziehungssumme respektive der staatlichen Ersatzforderung ist allerdings zur Vermeidung einer Doppelbelastung des Einziehungsbetroffenen (siehe dazu BGE 117 IV 107 E. 2a) die Summe abzuziehen, welche der Einziehungsbetroffene in Erfüllung des Vergleichs bezahlt hat (E. 5.3).

Das eröffnet doch interessante Perspektiven.