Einziehungen auch in eingestellten Strafverfahren

Auch wenn ein Strafverfahren zufolge eines dauernden Prozesshindernisses eingestellt wird, können Vermögenswerte der Ausgleicheinziehung unterliegen, und dies auch “quasi in einem selbstständigen Einziehungsverfahren”. Dies hat das Bundesgericht jüngst entschieden (BGer 6B_887/2016 vom 06.10.2016). Die dagegen vorgetragenen Rügen hat es mit Begründungen verworfen, die mir teilweise nicht einleuchten.

Die ersten Teileinstellungen erfolgten im Vorverfahren mangels Arglist (!), die endgültigen im Hauptverfahren wegen eines dauernden Prozesshindernisses (“ne bis in idem”; der gleiche Sachverhalt war bereits Gegenstand der (Teil-) Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft). Bei der Einziehung konnten sich die Beschwerdeführer nun aber nicht auf “ne bis in idem” stützen:

Auch wenn davon ausgegangen wird, dass die Strafsache betreffend die Beschwerdeführer 1 und 2 in den Einstellungsentscheiden vom 26. Januar 2015 und/oder vom 8. Juli 2015 rechtskräftig beurteilt wurde, hinderte der Grundsatz “ne bis in idem” das Bezirksgericht Luzern nicht daran, in einem späteren Zeitpunkt, wie es sich dies im Einstellungsbeschluss vom 8. Juli 2015 vorbehielt, über die Einziehung/Ersatzforderung im Sinne von Art. 70/71 StGB zu entscheiden, da diese keine Strafen sind und daher vom Grundsatz “ne bis in idem” nicht erfasst werden (E. 2.4.3).

Dem könnte man ja noch folgen. Nicht erkennbar ist aber die Anlasstat, die ja von der Strafbehörden mangels Arglist gerade verworfen wurde. Das Bundesgericht prüft dann aber wie ein erstinstanzliches Gericht die Tatbestandsmässigkeit der eingestellten Vorhalte und kommt zum Schluss, die Wettbewerbswidrigkeit sei erstellt:

Die inkriminierten Mailings sind offensichtlich auch im Lichte dieser Entscheide unlauter im Sinne von Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG. Dass sie nicht mehr nur aus einem Dokument, sondern aus zwei Dokumenten bestehen, nämlich einem Begleitbrief und einem Formular, ändert daran nichts (E. 5.3.3).

Die Beschwerdeführer machten auch geltend, die Einziehung verletze die Unschuldsvermutung. Auch dafür hat das Bundesgericht kein Gehör:

Die Vorinstanzen haben erkannt, dass die Voraussetzungen für eine Einziehung beziehungsweise eine Ersatzforderung erfüllt sind, dass nämlich die Beschwerdeführer im Sinne von Art. 23 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG objektiv und subjektiv tatbestandsmässige sowie rechtswidrige Handlungen begangen haben. Damit haben die Vorinstanzen nicht auch, weder ausdrücklich noch implizit, erwogen, die Beschwerdeführer 1 und 2 hätten sich eigentlich auch strafbar gemacht. Zu derartigen Erwägungen bestand auch kein Anlass, da die Einziehung und die Ersatzforderung unabhängig von der Strafbarkeit und der strafrechtlichen Schuld einer bestimmten Person angeordnet werden können. Vielmehr wird den Beschwerdeführern ein gegen Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG verstossendes und damit ein zivilrechtswidriges Verhalten, eine unerlaubte Handlung im Sinne von Art. 41 OR, vorgeworfen. Die Kostenauflage und die Verweigerung einer Entschädigung verletzen die Unschuldsvermutung entgegen der Meinung der Beschwerdeführer nicht (E. 6.3).

Der Entscheid überzeugt mich wie gesagt nicht und erweist sich als zirkelschlüssig. Er  bestätigt aber meinen Eindruck, dass die Justiz schwach wird, wenn viel Geld für die Staatskasse zu holen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Einstellung auf einen Fehler der Staatsanwaltschaft zurückgeht, die offenbar übersehen hat, dass sich ihre Teileinstellungen auf den ganzen Fall auswirken würden.