Entschädigung auch bei Nichtanhandnahme?
Das Obergericht des Kantons Thurgau hat entschieden, dass ein Entschädigungsanspruch nach Art. 429 StPO in der Regel auch dann besteht, wenn das Strafverfahren nicht über polizeiliche Ermittlungen hinaus gekommen ist (SW.2011.133 vom 31.10.2011). Es hat zudem entschieden, dass die Entschädigung direkt dem Anwalt auszubezahlen sei. im fraglichen Fall war eine polizeiliche Einvernahme unter dem Vorhalt der einfachen Körperverletzung durchgeführt worden.
Aus dem Entscheid des Obergerichts:
Da es immer schwieriger und gleichzeitig immer wichtiger wird, nicht nur das Gesetz, sondern auch die Rechtsprechung dazu zu kennen und dies in der Regel einem Laien nicht zugemutet werden kann, kann von diesem nicht verlangt werden, sich selbst zu verteidigen. Vielmehr ist es in Nachachtung des Anspruchs auf Waffengleichheit mit den Strafverfolgungsbehörden der beschuldigten Person zu ermöglichen, einen Verteidiger beizuziehen. Ausserdem kann zu Beginn eines Verfahrens nur schwer abgeschätzt werden, ob Komplikationen entstehen werden. Für eine wirksame Verteidigung ist es zudem regelmässig wichtig, möglichst früh im Verfahren mit dem Mandat betraut zu werden. Schliessfich darf auch die mit dem Strafverfahren regelmässig unvermeidlich einhergehende grosse psychische Belastung der beschuldigten Person nicht ganz ausser Acht gelassen werden (E. 5a).
Nicht schlüssig erscheint mir die Begründung der Auszahlung direkt an den Verteidiger:
Art. 429 ff. StPO lassen offen, an wen die Entschädigung im der Entschädigung für Anwaltskosten zu bezahlen ist. Sinnvollerweise ist die Entschädigung für Anwaltskosten immer an den Anwalt des Beschuldigten auszurichten, sodass dieser für seine Aufwendungen auch effektiv entschädigt und nicht dem Risiko ausgesetzt wird, dass zwar sein Mandant, den er erfolgreich vertreten hat, die Entschädigung ausbezahlt erhält, der Anwalt aber nichts von der ihm zustehenden Vergütung erhält, wenn der Mandant die Rechnung des Anwalts nicht begleicht. Somit ist die Entschädigung direkt dem Verteidiger des Beschwerdeführers zuzusprechen (E. 6c).
Die Begründung ist erstaunlich übereinstimmend mit den Ausführungen von Wehrenberg/Bernhard iim Basler Kommentar StPO (Art. 429 N 21). Ich habe den Entscheid online nicht gefunden, daher weiss ich nicht, ob die Quelle angegeben wurde.
Enthält die Anwaltsvollmacht keine Ermächtigung zur Entgegennahe der Entschädigung oder hat der Klient dem Anwalt das Mandat entzogen, könnte der Staat sich mit einer Zahlung an den Anwalt m.E. nicht von seiner Entschädigungspflicht gegenüber dem Beschuldigten befreien. Doch diese Fälle dürften eher selten sein…
Wehrenberg/Bernhard wurden zitiert.
Der Trick ist ganz einfach: Weil im Falle des Obsiegens das Zentrale Inkasso des Zuericher Obergerichts offene Forderungen gegen gewisse Klienten jeweils verrechnete, und so keine Entschaedigung ausbezahlt hatte, habe ich begonnen, das Rechtsbegehren wie folgt zu formulieren:
“Unter Kosten- und Entschaedigungsfolge; eine allfaellige Entschaedigung sei an Rechtsanwalt X direkt auszubezahlen”.
In dem Fall wird nicht mehr verrechnet und der Anwalt traegt kein Inkassorisiko mehr.