Entschädigung der amtlichen Verteidigung bei Freispruch

Gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO muss die amtlich verteidigte Person der Verteidigung die Differenz zwischen der amtlichen Entschädigung und dem vollen Honorar erstatten, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben. Dies gilt allerdings nur, wenn sie zu den Verfahrenskosten verurteilt wird, was grundsätzlich wiederum eine Verurteilung voraussetzt.Wird die amtlich verteidigte Person hingegen freigesprochen, hat der Verteidiger keinen Nachforderungsanspruch. Aus wirtschaftlicher Sicht würde der amtliche Verteidiger somit von der Verurteilung seines Mandanten profitieren, und zwar unter Umständen ganz erheblich (im Kanton Solothurn bis zu CHF 150.00 pro Stunde).

Diese unbillige Folge tritt jedenfalls dann ein, wenn der anwendbare Anwaltstarif nicht korrigierend eingreift, was die grosse Ausnahme sein dürfte. Das Bundesstrafgericht hat sich zum solothurnischen Gebührentarif  nun in drei Entscheiden geäussert (BB.2012.143, BB.2012.144 sowie BB.2013.6, alle vom 14.03.2013; noch nicht online):

Den vorliegend anwendbaren kantonalen Bestimmungen ist jedoch nicht ausdrücklich zu entnehmen, ob bei der Entschädigung an die amtlich verteidigte freigesprochene Person bzw. der obsiegenden Person im Berufungsverfahren von einem niedrigeren Stundenansatz ausgegangen werden kann als bei einer privat verteidigten Person. Die Regelung nach § 177 Abs. 3 GT/SO, gemäss welcher der Stundenansatz für die Bestimmung der Entschädigung der amtlichen Verteidigung Fr. 180.– zuzüglich Mehrwertsteuer beträgt, differenziert nicht zwischen Freispruch und Schuldspruch respektive Obsiegen und Unterliegen. In dieser Hinsicht entspricht § 177 Abs. 3 GT/SO inhaltlich der Bestimmung des Art. 5 Abs. 1 der Verordnung über die Bemessung des Honorars der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte des Kantons Graubünden vom 17. März 2009 (Honorarverordnung, HV/GR; BR 310.259), dessen Anwendung im Rahmen des Urteils des Bundesgerichts 6B_63/2010 vom 6. Mai 2010 zur Diskussion stand. Mithin ist – der Rechtsprechung des Bundesgerichts folgend – auch die Bestimmung von § 177 Abs. 3 GT/SO einschränkend dahingehend auszulegen (sog. teleologische Reduktion), dass sie nur im Fall der amtlichenVerteidigung der zu den Verfahrenskosten verurteilten Person Anwendung findet, und nicht auch im Fall der vollumfänglich obsiegenden beschuldigten Person. Für letzteren Fall ist die Entschädigung aufgrund von § 177 Abs. 2 GT/SO festzusetzen. Dazu ist festzuhalten, dass der Staat durch die Zahlung einer Entschädigung an die freigesprochene Person bzw. dessen Verteidigung keine Sonderleistung erbringt (im Gegensatz zur Zahlung einer Entschädigung an die amtliche Verteidigung der zu den Verfahrenskosten verurteilten Person). Die Entschädigung durch den Staat ist wegen des Freispruchs geschuldet, ohne Rücksicht darauf, ob die freigesprochene Person privat oder amtlich verteidigt war (E. 3.5).