Erfolgloser Schengen-Trick
Ein in Deutschland gefälltes Strafurteil steht der Vollstreckung eines zuvor in der Schweiz in derselben Sache erlassenen Urteils nicht entgegen (BGer 6B_482/2017 vom 17.05.2017).
Das ist die Folge einer Erklärung der Schweiz, die in der SR nicht abgedruckt ist. Das Bundesgericht muss daher in E. 4.5 auf eine (ausländische) Literatur zurückgreifen und zitiert die Fundstelle wie folgt::
Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (Assoziierungsabkommen zu Schengen [SAA; SR 0.362.31], Anhang: Erklärung zu Artikel 55 Absatz 1 und 2 SDÜ; abgedruckt auch bei: SCHOMBURG, a.a.O., S. 1692, N. 4 zu Art. 55 SDÜ, und ROSBAUD/LAGONDY, a.a.O., S. 115).
Der zitierte und auch dem Bundesgericht bestens bekannte Otto Lagodny wird mehrfach zitiert, allerdings konsequent mit einem Schreibfehler (Lagondy). Hier aber die Folge der Erklärung der Schweiz zu Art. 55 Abs. 1 und 2 SDÜ:
Es ist festzustellen, dass die „Tat“ auf dem Hoheitsgebiet der Schweiz begangen wurde, dass die Eidgenössische Bankenkommission die bankenrechtlichen Untersuchungen führte und die Konkurse über die Firmen eröffnete und dass die Tat in der Schweiz rechtskräftig abgeurteilt wurde. Gemäss der Erklärung im SAA zu Art. 55 Abs. 1 lit. a SDÜ ist die Schweiz in diesem Fall nicht durch Art. 54 SDÜ gebunden. Diese Rechtslage bewirkt im Gegenzug die Rechtsfolge, dass die Schweiz nicht verpflichtet ist, das in Verletzung der Erklärung ergangene amtsgerichtliche Zweiturteil als Vollstreckungshindernis zu akzeptieren (E. 4.6).
Dass man in Deutschland zu einem späteren und deutlich günstigeren Urteil kommt, ist ja an sich auch bemerkenswert, nützte aber nichts:
Das Amtsgericht verfasste sein Urteil in der zitierten Weise (oben Bst. A.b) und wich begründungsfrei um Millionenbeträge vom Urteil des Obergerichts ab. Dem Urteil ist u.a. nicht zu entnehmen, dass den Zivilklägern irgendwelche Gehörs- und Mitwirkungsrechte gewährt worden wären (E. 4.7).