Ergänzung der Anklage im Berufungsverfahren
Das Kantonsgericht LU hat der Staatsanwaltschaft Gelegenheit gegeben, eine Anklage im Sinne von Art. 329 Abs. 2 StPO zu ergänzen bzw. im Sinne von Art. 333 Abs. 1 StPO zu ändern, weil aus dem Strafbefehl, der als Anklage diente, nicht ersichtlich war, ob beim Vorwurf des Nichtabgebens der entzogenen Kontrollschilder und des Fahrzeugausweises eine vorsätzliche oder ob (auch) eine fahrlässige Tatbegehung angeklagt sei. Daraufhin reichte die Staatsanwaltschaft eine ergänzte und geänderte Anklageschrift ein. Im Hauptstandpunkt machte sie eine vorsätzliche, eventualiter eine fahrlässige Begehungsweise geltend.
Das Bundesgericht sieht in einem solchen Vorgehen kein Problem mit dem Anklageprinzip (BGer 6B_904/2019 vom 08.02.2019):
Der als Anklageschrift geltende Strafbefehl (Art. 356 Abs. 1 Satz 2 StPO) kann in Anwendung von Art. 379 StPO auch noch an der Berufungsverhandlung geändert werden (Urteile 6B_1394/2017 vom 2. August 2018 E. 1.2; 6B_904/2015 vom 27. Mai 2016 E. 1.4.1; 6B_428/2013 vom 15. April 2014 E. 3.3; je mit Hinweisen). Mit ihrem Vorgehen hat die Vorinstanz weder Bundes- noch Verfassungs- oder Konventionsrecht verletzt. Sie führt zu Recht aus, der Beschwerdeführer sei sich bereits im Verfahren vor der ersten Instanz im Klaren gewesen, welcher konkrete Sachverhalt ihm vorgeworfen werde. Weiter konnte er sich im vorinstanzlichen Verfahren hinreichend zur ergänzten Anklageschrift äussern, was der Beschwerdeführer denn auch nicht in Abrede stellt. Eine Rückweisung zur Wahrung der Parteirechte war vorliegend offensichtlich nicht unumgänglich. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er hätte den Strafbefehl in Kenntnis des vorgehaltenen Sachverhalts annehmen können, steht im Widerspruch zu seinem bisherigen Prozessverhalten; er beantragt jeweils einen vollumfänglichen Freispruch. Schliesslich geht sein Hinweis auf Art. 350 Abs. 1 StPO an der Sache vorbei. Aus dieser Bestimmung lässt sich nicht ableiten, dass das Gericht an die frühere, später abgeänderte Anklageschrift gebunden ist (vgl. Urteil 6B_688/2017 vom 1. Februar 2018 E. 2.5.1) [E. 2.4].
Zur (gerügten) Frage, dass der Beschwerdeführer eine Instanz verliert, äussert sich das Bundesgericht wie bereits die Vorinstanz:
Sie führt zu Recht aus, der Beschwerdeführer sei sich bereits im Verfahren vor der ersten Instanz im Klaren gewesen, welcher konkrete Sachverhalt ihm vorgeworfen werde. Weiter konnte er sich im vorinstanzlichen Verfahren hinreichend zur ergänzten Anklageschrift äussern, was der Beschwerdeführer denn auch nicht in Abrede stellt (E. 2.4).
Und wieso musste nun die Anklage ergänzt bzw. geändert werden?
„Mit ihrem Vorgehen hat die Vorinstanz weder Bundes- noch Verfassungs- oder Konventionsrecht verletzt.“
Art. 6 Abs 3 lit a EMRK wenn der Verteidiger es denn rügt und das Gericht es überhaupt zur Kenntnis nimmt ….
und wenn das Gericht es aus eigenem Antrieb der Staatsanwaltschaft „aufgegeben hat“, dann gleicj auch noch fehlende Neutralität.
Verteidiger ist ein schöner Begriff in der Schweiz. Erfüllungsgehilfe der Staatsanwaltschaft trifft es regelmässig schon eher. Da sind Rügen bzgl. EMRK recht lästig für das weitere berufliche Fortkommen.
Wer weiss, vielleicht winkt ja dem dem ein oder anderen Anwalt noch ein hübscher Posten in einer gut geschützten Werkstatt beim Staat….
Naja, ein paar Ausnahmen wird es wohl schon geben.
1. „eine Anklage im Sinne von Art. 329 Abs. 2 StPO zu ergänzen bzw. im Sinne von Art. 333 Abs. 1 StPO zu ändern“. Was jetzt? 329 und 333 ist m.E. nicht dasselbe.
2. „er hätte den Strafbefehl in Kenntnis des vorgehaltenen Sachverhalts annehmen können, steht im Widerspruch zu seinem bisherigen Prozessverhalten; er beantragt jeweils einen vollumfänglichen Freispruch“. Ich erkenne keinen Widerspruch.