Erhöhte Begründungspflicht?
Nach einem neuen Entscheid des Bundesgerichts muss in einem Strafurteil offenbar auch erklärt werden, ob und aus welchen Gründen eine Aussage, auf die das Gericht abstellt, verwertbar ist (BGer 6B_9/2018 vom 20.06.2018). Das war in einem Urteil des Kantonsgerichts LU unterlassen worden.
Ohne diese Feststellungen ist die Überprüfung der fehlerfreien Anwendung von Bundesrecht nach Art. 112 BGG nicht möglich:
Die Frage, ob weitere Aussagen nicht verwertbar sind (vgl. BGE 143 IV 457 E. 1.6.1 ff. S. 459 ff.; zum Teilnahme- und Konfrontationsrecht: BGE 143 IV 397 E. 3.3.1 S. 402 f.; 141 IV 220 E. 4 S. 227 ff.; Urteile 6B_422/2017 vom 12. Dezember 2017 E. 1.3; 6B_129/2017 vom 16. November 2017 E. 1.4, nicht publ. in: BGE 143 IV 457; je mit Hinweisen), hängt von den konkreten Umständen der fraglichen Einvernahmen ab. Hierzu sind dem vorinstanzlichen Urteil keinerlei Feststellungen zu entnehmen. Daraus ergibt sich lediglich, dass die Aussagen, welche die Vorinstanz bei ihrer Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung berücksichtigt, mehrheitlich im Verfahren gegen B. deponiert wurden (…). Im Urteil wird jedoch nicht ausgeführt, wann die fraglichen Einvernahmen erfolgten, wer daran teilnahm, ob der Beschwerdeführer mit den entsprechenden Aussagen beziehungsweise Personen konfrontiert wurde und was diesen Personen vorgehalten wurde. Die vorinstanzliche Begründung enthält sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht massgebende Lücken, womit das Bundesgericht nicht prüfen kann, ob das vorinstanzliche Urteil Bundesrecht verletzt. Dieses ist daher in Anwendung von Art. 112 Abs. 3 i.V.m. Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG ohne Schriftenwechsel aufzuheben und an die Vorinstanz zur Verbesserung zurückzuweisen. Ferner wird die Vorinstanz der Bestimmung von Art. 141 Abs. 5 StPO nachkommen und zumindest das Protokoll der nicht verwertbaren Zeugeneinvernahme des Beschwerdeführers aus den Strafakten entfernen sowie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens unter separatem Verschluss halten müssen (E. 1.4, Hervorhebungen durch mich).
Ob diese erhöhten Begründungsanforderungen nur gelten, wenn die Verteidigung bei der Vorinstanz ausdrücklich auf Unverwertbarkeit plädiert hatte, ist mir nicht klar geworden.
M.E. korrekte Rückweisung und aus folgendem Grund zu bejahende Bemerkung kjs: Im Strafverfahren hat jeder Angeklagte das Recht, dem wesentlichen Belastungezeugen mindestens einmal Fragen zu stellen. Wird dieses Recht verweigert oder auf eine andere Art nicht gewährt, muss ein gültiger Verzicht vorliegen, ansonsten der Prozess unfair war und das Urteil im Rechtsmittelverfahren vor einer Instanz ohne Vollkognition aufzuheben ist. Diesen Verzicht zu beweisen, also nachzuweisen, dass er stattfand, und dass er informiert und freiwillig erfolgte, ist, wie alles Beweisen, Sache der Anklage, ein Plädoyer der Verteidigung dafür ist nicht Bedingung. Dem vorinstanzlichen Urteil war laut Bundesgericht kein solcher Nachweis zu entnehmen (” … im Urteil wird jedoch nicht ausgeführt …” E1.4).
Das Konfrontationsrecht ist Jahrtausende alt und war bereits in Rechtsordnungen gültig, die ansonsten kaum unseren heutigen Ansprüchen an Rechtsstaatlichkeit genügten. Dennoch wird seine Tragweite auch heute noch gelegentlich und – wie auch dieser Blog in den letzten Wochen zeigte – zu häufig übersehen.
Wenn man den Entscheid aber richtig liest, ist klar, dass das BGer keine generelle Begründungspflicht hinsichtlich der Verwertbarkeit von Aussagen verlangt, sondern dies lediglich Fälle betrifft, in denen die Unverwertbarkeit behauptet wird oder sich die Frage aufgrund der Aktenlage tatsächlich stellt. Offensichtlichkeiten verlangten nie und verlangen auch in Zukunft keine Begründung.