Erlaubte Beschränkung des Akteneinsichtsrechts
Die Strafbehörden sind unter Umständen berechtigt, die Akteneinsichtsrecht der Parteien zu beschränken (Art. 108 StPO). Mit solchen Umständen hat sich das Bundesgericht jüngst befasst und kommt zu folgendem Ergebnis (BGer 7B_523/2023 vom 02.06.2024, Fünferbesetzung):
Bei dieser Sachlage hält es vor dem Bundesrecht stand, wenn die kantonalen Instanzen das Akteneinsichtsrecht des Beschwerdeführers gestützt auf Art. 102 Abs. 1 sowie Art. 108 Abs. 1 lit. a und lit. b StPO in der Weise vorläufig eingeschränkt haben, dass es dem Privatkläger bisher verweigert wurde, Kopien der sichergestellten Video- und Tonaufzeichnungen zu erhalten oder selber anzufertigen. Diese im Sinne von Art. 108 Abs. 3 und Abs. 5 StPO begrenzte und provisorische Einschränkung zum Schutze des Untersuchungsgeheimnisses, der Unschuldsvermutung und der rechtlich geschützten Interessen von betroffenen Personen und Institutionen erweist sich im vorliegenden Fall als verhältnismässig, zumal die Strafbehörden dem Beschwerdeführer im Übrigen Einsicht in alle verfahrensaktuellen Untersuchungsakten in Schriftform gewährt und es ihm auch ermöglicht haben, die Video- und Tonaufzeichnungen in derzeit angemessener Weise zu konsultieren (E. 4.3).
Als Laie finde ich es interessant zu erfahren, dass die Strafbehörden unter bestimmten Umständen das Akteneinsichtsrecht der Parteien beschränken dürfen. Es ist beruhigend zu wissen, dass die Strafbehörden dem Beschwerdeführer dennoch Einsicht in alle verfahrensaktuellen Untersuchungsakten gewährt haben.
Hier die dazugehörigen Akten (zensiert): https://schaffhausen-info.com/akten-zu-7b_523-2023/
@Marius
Ich bin der Beschwerdeführer und dies das erste Mal, dass ich (de facto) vor dem Bundesgericht gewinne bzw. ein Urteil zu meinen Gunsten entschieden wird (meine heutigen Beschwerden sind erheblich besser als damals und dies war eine meiner ersten Beschwerden). Offiziell wurde die Beschwerde vom BGer abgewiesen, aber im Grunde genommen wurde ihr stattgegeben, da das Obergericht Schaffhausen und die Staatsanwaltschaft Schaffhausen nicht planten, mir die Videos jemals auszuhändigen – obwohl sie dies nur für die Dauer des Verfahrens zurückhalten dürften.
Das Bundesgericht behauptete (zusammenfassend), ich hätte die Situation falsch verstanden und die Akten seien nur temporär zurückgehalten worden (namentlich nur für die Dauer des Verfahrens). Dadurch musste das Gericht die “grösseren” Fragen bezüglich Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Befangenheit Richter usw. nicht beantworten: Deshalb sage ich dazu “de facto Recht bekommen”.
Hätte ich nicht das Bundesgericht angerufen, würde das Obergericht sowie die Staatsanwaltschaft heute einfach sagen: “Oh, wir haben bereits einen rechtskräftigen Entscheid, Sie hätten damals weiterziehen müssen.” und ich würde auch vor BGer in die Röhre gucken.
Ja, das Urteil hat mich 2000 CHF plus die vorinstanzlichen Verfahrenskosten gekostet und in einer gerechten Welt wäre ich entschädigt worden. Doch letztlich hat mir das Urteil eine äussert gute Position verschafft, die es mir nun ermöglicht, Kopien der Videos zu erhalten: Darauf sind drei Polizisten zu sehen, die mich nackt ausziehen und stundenlang in einer schmutzigen Zelle festhalten – ohne Beleuchtung und ohne Wasserzufuhr. Zudem wurde mir kein Toilettenpapier bereitgestellt. Ebenfalls darauf zu sehen ist, wie Gefängnismitarbeiter das Licht ausschalten (Stromzufuhr befindet sich ausserhalb der Zelle) und ebenfalls wie eine weibliche Mitarbeiterin einem nackten Inhaftierten Wasser bringt…
Ich werde demnächst eine Plattform eröffnen für userbasierte Rankings von Richtern, Staatsanwälten, Anwälten und sonstigen öffentlichen Staatsangestellten, ähnlich wie Kununu, Trustpilot etc., jedoch, statt dass man nur die Behörde bewerten kann, kann man eine Person bewerten. Natürlich wird es Scoreboards für die besten und schlechtesten Bewertungen geben. Damit möchte ich zur Transparenz beitragen.
“…und in einer gerechten Welt wäre ich entschädigt worden”:
Mir ist kein Schweizer Gericht (bzw. -sentscheid) bekannt, das bei (Teil-)Gutheissung eines (strafrechtlichen) Rechtsmittels – juristische Laien (also alle, die keine RechtsanwältInnen sind) entschädigt, die selber ein Rechtsmittel ausarbeiten und einreichen. Obwohl sie eine Parteientschädigung ausdrücklich beantragen, begründen und für diese der Arbeitsaufwand naturgemäss viel grösser ist als für Profis.
In grauer Vorzeit (1984) definierte das Bundesgericht noch drei kumulative Voraussetzungen für eine Parteientschädigung ohne anwaltliche Vertretung (110 V 72, E. 7), verweigert aber diese regelmässig (auch im BGG finde ich keine entsprechende Regelung; wer aktuellere Angaben machen kann, soll das bitte tun und mich korrigieren).
Dieser Umstand ist m.E. ein Element von mehreren, die das Bundesgericht einsetzt, um eine Zweiklassengesellschaft vor Gericht zu verankern, zu praktizieren bzw. Beschwerdeführende, die keinen Anspruch auf notwendige Verteidigung (vor Bundesgericht) haben und sich keinen Rechtsbeistand leisten können, zu diskriminieren.
Was übrigens auch der EGMR-Praxis widerspricht, der weniger strenge Kriterien vorschreibt (z.B. Szücs gegen Österreich vom 24. November 1997, Ziffer 55;
https://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-58113).
@Henry
Dieses Vorgehen wird noch dadurch auf die Spitze getrieben, dass in den meisten Kantonen ein durch Steuern finanziertes Gemeinwesen ausnahmsweise eine Parteientschädigung erhalten kann, wenn eine Beantwortung eines Rechtsmittels mit “ausserordentlichem Aufwand verbunden” ist, auch wenn es nicht anwaltlich vertreten wird. Rein theoretisch hat man natürlich auch als Privatperson Anrecht auf eine Parteientschädigung ohne anwaltliche Vertretung. Der Unterschied liegt nur darin, dass Ersteres in der Praxis tatsächlich häufig vorkommt, Letzteres nicht, obwohl die Schwelle für “ausserordentlichen Aufwand” bei einem Laien wesentlich früher erreicht sein dürfte als bei einem Gemeinwesen, das seine eigenen Entscheide verteidigen muss.
Das Bundesgericht Entschädigt effektive Auslagen die man hat wie zB der Kauf eines Kommentierten BGG. Eine Parteientschädigung habe ich jedoch wuch novh nie bekommen.