Ermessen des Strafverteidigers oder ungenügende Verteidigung?

Nebst dem richterlichen Ermessen gibt es auch ein anwaltliches, was das Bundesgericht in einem heute online gestellten Entscheid ausdrücklich festhält (6B_340/2007 vom 26.07.2007). Ein zu viereinhalb Jahren Zuchthaus verurteilter Drogendelinquent begründete seine Beschwerde ans Bundesgericht u.a. damit, dass er im kantonalen Verfahren ungenügend verteidigt war, weil sein Anwalt nicht auf Notstand plädiert habe. Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen, aber dem Beschwerdeführer immerhin die unentgeltliche Rechtspflege zugebillgt. Es sei dem Verteidiger aufgrund seines Ermessens zugestanden, nicht auf Notstand zu plädieren.

Der Verteidiger hat vor Obergericht zwar nicht auf Notstand plädiert, es indessen nicht versäumt, die Bedrohungslage des Beschwerdeführers eingehend zu thematisieren (…). Der Beschwerdeführer habe ein Darlehen aufnehmen müssen, und später seien er und seine Ehefrau vom Darlehensgeber bzw. dessen Hintermann wegen der Rückzahlung unter Druck gesetzt bzw. angegangen worden, an Drogengeschäften mitzumachen, um Schulden “abzuarbeiten” oder zumindest mit der Beteiligung an den Drogendelikten den Druck der Schuldenzahlungen zu vermindern (…). Gestützt auf diese Ausführungen des Verteidigers hat das Obergericht die Frage, ob eine schwere Bedrohungslage für den Beschwerdeführer bestand, verneint (…). Dass die Bedrohungslage nicht besonders schwer gewesen sein kann, folgt denn auch aus dem bemerkenswerten Umstand, dass sie vom Beschwerdeführer nicht schon bei seinem Geständnis, sondern erst anlässlich der vierten Berufungsverhandlung geltend gemacht wurde (…). Unter den gegebenen Umständen hielt sich der Verteidiger innerhalb des ihm zustehenden Ermessens, wenn er darauf verzichtete, auf Notstand zu plädieren (E. 2).

Leider hat sich das Bundesgericht nicht grundsätzlich zur Frage geäussert, unter welchen Voraussetzungen die Rüge der ungenügenden Verteidigung erfolgreich geführt werden könnte. Der Anspruch auf eine wirksame Verteidigung ist in Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK garantiert. Seine Verletzung wird aber aber kaum je (bzw. nur bei der Frage der Entschädigung) geltend gemacht.