Erst- oder Wiederholungstäter?

Im Zusammenhang mit dem besonderen Haftgrund der Wiederholungsgefahr stellt sich immer wieder die Frage, was unter einem Wiederholungstäter zu verstehen ist. Dazu äussert sich das Bundesgericht in einem neuen Urteil (BGer 1B_88/2015 vom 07.04.2015) wie folgt:

Die beiden erwähnten deutschen Vorstrafen dürfen dem Beschwerdeführer somit im Strafverfahren nicht entgegengehalten werden, auch nicht für die Beurteilung der Wiederholungsgefahr. Eine Ausnahme gilt einzig für die psychiatrische Begutachtung. Der Gutachter darf das den gelöschten Vortaten zugrunde liegende Geschehen bei seiner fachlichen Beurteilung mitberücksichtigen, da er zu falschen Schlüssen kommen könnte, wenn er bestimmte, für die Persönlichkeitsentwicklung des Exploranden möglicherweise bestimmende Fakten ausser Acht lassen müsste (BGE 135 I 71 E. 2.10 S. 76) [E. 2.2.1].

Die Vorinstanz hätte den Beschwerdeführer bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr somit als Ersttäter beurteilen müssen.

Das Bundesgericht ordnet die Haftentlassung an, gibt der Staatsanwaltschaft aber noch ein paar Tage, um die halt irgendwie doch bestehende Wiederholungsgefahr (gemäss Gutachten leicht überdurchschnittlich, was immer das heissen soll) zu senken:

Nachdem sich ergeben hat, dass der allgemeine Haftgrund des dringenden Tatverdachts gegeben ist und auch eine gewisse Wiederholungsgefahr besteht, die indessen zu gering ist, um die Fortsetzung der Haft zu rechtfertigen, ist der Beschwerdeführer zu entlassen. Allerdings ist der Staatsanwaltschaft die Gelegenheit einzuräumen, die Wiederholungsgefahr durch geeignete Auflagen im Sinn von Art. 237 StPO weiter zu senken. Zu denken wäre etwa an ein Verbot, von Kindern (mit-) benützte Badeanstalten, Schulen, Sport- und Spielstätten etc. und insbesondere Gemeinschaftsgarderoben zu betreten, sich regelmässig einer psychotherapeutischen Behandlung – möglicherweise ergeben sich dazu aus dem Gutachten, das zwischenzeitlich bei der Staatsanwaltschaft eingetroffen sein müsste, sachdienliche Hinweise – und Meldepflichten. Der Staatsanwaltschaft ist Gelegenheit zu geben, solche Massnahmen zu treffen und zu organisieren, falls sie dies für tunlich erachtet. Der Beschwerdeführer ist daher nicht sofort zu entlassen, sondern spätestens fünf Arbeitstage nach Zustellung des bundesgerichtlichen Urteils (E. 2.3).

Letztlich belegt der Entscheid nur, dass Wiederholungsgefahr kein Grund für die Anordnung oder Aufrechterhaltung von prozessualer Haft sein kann.