Erster BGE zum neuen Haftgrund

Seit 1. Januar 2024 ist der neue Haftgrund der qualifizierten Wiederholungsgefahr von Art. 221 Abs. 1bis StPO in Kraft. Heute veröffentlicht das Bundesgericht seinen – soweit ich es überblicke – ersten Entscheid dazu (BGE 7B_155/2024 vom 05.03.2024, Publikation in der AS vorgesehen).

Der neue Haftgrund und der Entscheid werden vermutlich dazu führen, dass vermehrt nun auch die Untersuchungshaft faktisch durch Psychiater verhängt wird. Doch wenn die Psychiater bloss mittelgradige Wiederholungsgefahr feststellen, dann macht halt der Richter auf Psychiater und erhöht die Gefahr, indem er sich auf Prognoseelemente stützt, die der Gutachter – möglicherweise aus gutem Grund? – nicht berücksichtigt hatte:

Es verletzt auch kein Bundesrecht, wenn die Vorinstanz von einer “mittelgradigen bis erhöhten Rückfallgefahr” für schwere Gewaltverbrechen ausgeht, zumal sie willkürfrei weitere Prognoseelemente erwähnt, die von der medizinischen Gutachterin noch nicht berücksichtigt worden waren (E. 3.6.4, Hervorhebungen durch mich).

Das tönt fast, wie wenn der Gerichtsschreiber ein Urteil zu begründen hatte, dem er nicht zustimmt. Das war aber eher nicht so, denn das Bundesgericht belegt seine Rechtsauffassung primär mit der Lehrmeinung von Prof. Dr. Marc Forster. Forster ist auch der Gerichtsschreiber, der das Urteil redigiert und unterzeichnet hat, obwohl er sich dabei mehrfach selbst zitiert; u.a. zu den Fragen, die den Entscheid zum Grundsatzentscheid machen.