Erweiterter Konfrontationsanspruch
Der Anspruch auf Konfrontation mit Belastungszeugen ist nicht davon abhängig, ob deren Aussagen das einzige oder das ausschlaggebende Beweismittel sind. Es reicht auch, wenn sie als eines von mehreren Gliedern einer Indizienkette erscheinen.
Dies ist einem aktuellen Urteil des Bundesgerichts zu entnehmen (BGer 6B_128/2018 vom 08.02.2019):
2.3.3. Der in Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK garantierte Anspruch des Beschuldigten, den Belastungszeugen Fragen zu stellen, ist ein besonderer Aspekt des Rechts auf ein faires Verfahren gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Eine belastende Zeugenaussage ist grundsätzlich nur verwertbar, wenn der Beschuldigte wenigstens einmal während des Verfahrens angemessene und hinreichende Gelegenheit hatte, das Zeugnis in Zweifel zu ziehen und Fragen an den Belastungszeugen zu stellen (BGE 140 IV 172 E. 1.3 S. 176 mit Hinweisen). Dies gilt auch, wenn die belastende Aussage lediglich eines von mehreren Gliedern einer Indizienkette ist (Urteil 6B_510/2013 vom 3. März 2014 E. 1.3.2 mit Hinweis).
2.3.4. Konfrontationseinvernahmen mit den vom Beschwerdeführer genannten Personen (B.B., C.B. und D.B.) wurden keine durchgeführt. Während die Vorinstanz den Beschwerdeführer gestützt auf dessen Aussagen und unabhängig von den Aussagen der genannten Personen als Lenker des fraglichen Lieferwagens identifiziert (…), hält sie zur Kollision fest, diese sei nicht ernsthaft bestritten worden. Das Gericht sei betreffend die Verletzungen bereits aufgrund der Aussagen des Beschwerdeführers, der Feststellungen der Polizei, der medizinischen Versorgung im Spital und der Unfallmeldung an die SUVA überzeugt, dass B.B. durch die Kollision Verletzungen im behaupteten Umfang erlitten habe. Diese Erwägungen überzeugen nicht. Entscheidend ist, dass B.B., C.B. und D.B. mit ihren Aussagen den Beschwerdeführer belasten und die Vorinstanz wiederholt darauf abstellt. […]. Damit stellen die Aussagen mindestens Indizien dar, die sich einzeln oder zusammen mit anderen zuungunsten eines Beschuldigten auswirken und gegebenenfalls für den Schuldspruch ausschlaggebend sein können (Urteil 6B_781/2009 vom 6. Januar 2010 E. 1.1.4 mit Hinweis). Der Beschwerdeführer war nicht in der Lage, deren Glaubhaftigkeit zu prüfen und ihren Beweiswert in kontradiktorischer Weise in Frage zu stellen. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur Durchführung der Konfrontationseinvernahmen an die Vorinstanz zurückzuweisen (Hervorhebungen durch mich).
Mit seinen weiteren Ausführungen bringt das Bundesgericht dann aber zum Ausdruck, dass die Vorinstanz doch richtig lag. Diese muss nun aber trotzdem konfrontieren und kann danach ihr Urteil bestätigen.
Interessanter Entscheid. V.A. zwei Punkte scheinen erwähnenswert:
1. Konfrontationsanspruch i.c. offenbar bejaht, ohne dass eine Konfrontation vom Beschuldigten verlangt worden ist.
2. Eine von der Polizei selbständig angeordnete Zwangsmassnahme, die eigentlich durch die StA hätte verfügt werden müssen, eröffnet die Untersuchung nicht.
Ein blosses Nichtverlangen durch einen Angeklagten reicht nicht, um dessen Konfrontationsrecht als gewährt zu betrachten, das gilt mangels Ausnahme auch dann, wenn er anwaltlich vertreten ist. Wie bei seinem Verzicht auf sein Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, ist eine informierte Willensentscheidung erforderlich und durch die in der Sache beweispflichtige Staatsanwaltschaft zu belegen. Sie kann diese Willensentscheidung etwa durch eine Aufklärung durch das Gericht unter angemessener Fristsetzung zum Stellen eines Konfrontationsgesuchs nachweisen.
Tut sie das nicht, oder verweigert das Gericht, wie hier gemäss E2.3.2, das Konfrontationsrecht, können die Aussagen der unkonfrontierten Belastungszeugen nicht in den Strafprozess eingeführt werden, und die Beschwerdeinstanz hebt das trotzdem ergangene Strafurteil (E2.3.4 zweitletzter Satz) auf.