Es lebe das Strafbefehlsverfahren
In einem Strafbefehlsverfahren und damit unter Ausschluss der Justiz hatte die Bundesanwaltschaft total ca. 555 Millionen Franken eingezogen. Der Beschuldigte wurde wegen Urkundenfälschung und Geldwäscherei verurteilt. Die Sanktion ist nicht bekannt, aber um die ging es ganz offensichtlich auch nicht bzw. nur insofern, als es für die Einziehung notwendig war.
Eine betroffene Kontoinhaberin hat als nicht beschuldigte Gesellschaft Einsprache erhoben und von einem Einzelrichter am Bundesstrafgericht teilweise obsiegt. Sie erhält rund 70 Millionen Franken zurück (vgl. dazu die Medienmitteilung und das publizierte Dispositiv aus BStGer SK.2020.49 vom 21.12.2021). Der Einzelrichter erhebt eine Gebühr von CHF 40,000.00, die zu ca. 4/5 der teilweise obsiegenden Gesellschaft auferlegt werden.
und wo liegt jetzt Ihr Problem?
Das der Staat bzw der Ankläger dem Beschuldigten 70 Mio zuviel angenommen hätte er diese vom Einzelgericht nun erhölt und dafür auch noch 40‘000 bezahlen darf.
Das zeigt (was in dem Falle sicher keine Frage ist) Recht scheint in diesem Land keine selbstverständlicher Anspruch eines jeden Bürgers zu sein, sondern Recht muss man sich leisten können.
Das Problem ist daran das nicht alle vor dem Gesetz gleich sind. Das zweite Peoblem ist das Strafbefehlsverfahren per Se. Wo der Staat eine Offerte entgegen dem gerne vom BGE zitierten normalen Sprachgebrauch welche eine durchschnittlich intelligente Person als Offerte zu interpretieren hat. Böswillig könnte man von Täuschung sprechen. Das Dritte Problem ist das 95% aller Strafverfahren so abgeschlossen werden, also es der Rechstaatlichen Trennung zwischen Anklage und Richter mangelt.
Wer aber das Problem nicht erkennt dem ist eh nicht zu helfen, er muss günstling dieses System sein und ein feudales Leben daraus führen, was eigentlich das 4. Problem darstellt
…somit also im gesetzlichen Rahmen und mit Überprüfung durch das Gericht erfolgt, jedenfalls nicht wirklich “unter Ausschluss der Justiz”… (spannend zumindest der dabei verwendete Justiz-Begriff) 😉
Aber nur der harmlose Teil
Ein Highlight: https://bger.li/6B_1290-2021 E. 4.1
„Der Strafbefehl ist ein Vorschlag zur aussergerichtlichen Erledigung des Straffalls und damit ein Angebot zur summarischen Verfahrenserledigung.“
„Der Strafbefehl beruht auf einer bloss summarischen Beurteilung von Täter und Tat durch die Staatsanwaltschaft.“
„Die Botschaft hält ausdrücklich fest, dass solche Erhebungen (Beweiserhebungen) im Verhältnis zur Bedeutung des Straffalls stehen müssen; ist ein Strafbefehl zu erwarten, sind sie zu beschränken.“
„Selbst bei schweren Delikten werden oft nicht alle Untersuchungshandlungen vorgenommen, die gegebenenfalls möglich wären.“
Sagenhaft! Danke für den Hinweis.