Eventualvorsätzliche Gehilfenschaft durch Unterlassen?
Eine Mutter von Kindern, die vom Lebenspartner missbraucht werden, kann sich als Gehilfin strafbar machen (Art. 189 Abs. 1 i.V.m. Art. 11 und 25 StGB; BGer 6B_489/2012 vom 10.06.2013).
3.1. Die Beschwerdeführerin hatte als Mutter eine Garantenpflicht für ihre Töchter. Indem sie die sexuellen Übergriffe weder verhinderte noch ihnen nachging (Urteil S. 29 und 35), blieb sie pflichtwidrig untätig. Das Verhalten ist als Begehen durch Unterlassen strafbar (Art. 11 Abs. 1 StGB) und vorliegend als Gehilfenschaft zu qualifizieren (Art. 25 StGB). Als Hilfeleistung gilt jeder kausale Beitrag, der die Tat fördert, d.h. die Haupttat durch irgendwelche Vorkehren oder durch psychische Hilfe erleichtert (BGE 129 IV 124 E. 3.2).
3.2. Die Beschwerdeführerin rügt, eine wissentliche und willentliche Handlung sei nicht erkennbar, weshalb Eventualvorsatz ausscheide (Beschwerde S. 8 f.). Nach der Vorinstanz beobachtete die Beschwerdeführerin die Übergriffe teilweise selbst, ihre Tochter erhob ihr gegenüber Vorwürfe, und eine Drittperson warnte sie nachdrücklich. Sie ging den Vorwürfen nicht nach, weil ihr der Lebenspartner wichtiger war. Sie nahm die Tat in Kauf (Urteil S. 29).Aufgrund dieses Sachverhalts verletzt die Annahme des Eventualvorsatzes kein Bundesrecht. Eventualvorsätzlich handelt, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt (Art. 12 Abs. 2 StGB). Dabei genügt, dass der Gehilfe die strafbare Handlung in groben Umrissen kennt (il suffit qu’il connaisse les principaux traits de l’activité délictueuse qu’aura l’auteur; BGE 132 IV 49 E. 1.1). Entgegen der Beschwerde (S. 8) ist eine genaue Kenntnis von Qualität und Intensität der Übergriffe nicht erforderlich.
Interessant und wie ist das wenn eine Behörde die eine Aufsichtspflicht hatte von solchen Taten weiss und diese weder verhinderte noch ihnen nachging? Da gilt doch dann wohl auch Eventualvorsatz oder? Interessant finde ich auch das ein “möglich halten” genügt, bei dem Fall mit der Behörde war es bereits weit mehr als ein “möglich halten” sie wurde sogar von dritten darauf aufmerksam gemacht, trotzdem hat sie diese weder verhindert noch ist sie der Sache nachgegangen, stattdessen hat man es aktiv verheimlicht, geht für mich irgendwie sogar noch weiter als Eventualvorsatz, das ist dann irgendwie ja dann doch schon Vorsätzlich oder?
Ich finde die Erwägung (ohne den ganzen Entscheid gelesen zu haben) überzeugend: Eventualvorsatz liegt ja nach der h.L. und Rspr. vor, wenn der Täter die Tat für möglich hält und in Kauf nimmt. Und wenn die Mutter die Übergriffe selber gesehen hat, als Garantin (ZGB 302 Abs. 1) nicht eingegriffen hat, ist das ein klassisches Beispiel für ein unechtes Unterlassungsdelikt.
Ein Unterlassungsdelikt erfordert Tatmacht. D.h. die Angeschuldigte hätte den Erfolg durch eigenes Eingreifen verhindern können müssen. Wer jedoch Tatmacht hat, ist nicht mehr Gehilfe sondern eben Täter. Eine Abstufung zur Gehilfenschaft lässt sich hier nicht ziehen. Ev. hat das Bundesgericht des Verbots der Reformation in Peius wegen die Gehilfenschaft aufrechterhalten.
Zwar ist die Gehilfenschaft durch Unterlassen grundsätzlich ausgeschlossen, weil die Unterlassung Tatmacht voraussetzt. Wie von ma ausgeführt wurde, ist damit grundsätzlich jeder, der den Erfolg abwenden könnte, nicht mehr Gehilfe sondern Täter. Allerdings gibt es die Gehilfenschaft durch Unterlassen, nämlich dort, wo der Unterlassende nicht Täter sein kann. Dies ist insbesondere bei jenen Delikten der Fall, welche nicht durch Unterlassen begangen werden können. Daher m.E. vorliegend die Verurteilung zur eventualvorsätzlichen Gehilfenschaft zur sexuellen Nötigung durch Unterlassen.