Faktische Übernahme der Garantenstellung
Das Bundesgericht hat sich im Zusammenhang mit einem tödlichen Lawinenunglück mit der faktischen Übernahme der Garantenstellung befasst (BGE 6B_1122/2014 vom 29.06.2015; Publikation in der AS vorgesehen). Der Sicherheitsbeauftragte (X) einer Bauunternehmung war wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden. Er war für die ständige Beurteilung der Lawinensituation im Zusammenhang mit dem Bau einer Seilbahn verantwortlich. Ein Mitarbeiter der Grundeigentümerin B. kam in der Folge durch einen Lawinenabgang ums Leben, obwohl X per E-Mail auf die erhöhte Gefahr aufmerksam gemacht hatte, B. aber nicht damit bediente.
Das Bundesgericht bejahte zunächst die Garantenstellung von X. gegenüber den Mitarbeitern von B und erwog dazu u.a. folgendes:
Der Beschwerdeführer wendet ein, die Vorinstanz gehe zu Unrecht von einer faktischen Übernahme der Garantenstellung aus. Die Mitarbeiter der B. hätten eine eigene Beurteilung der Lawinengefahr vorgenommen und selbständig über ihre Einsätze entschieden. Insbesondere hätten sie vorgängig jeweils keine Rücksprache mit ihm genommen. Zu beurteilen ist damit die Frage, wann von einer faktischen Übernahme der Garantenstellung gesprochen werden kann. Dem vorinstanzlichen Urteil ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer die Strasse vor dem Unglück bereits mehrmals gesperrt hatte. Dabei kann nicht entscheidend sein, ob der Beschwerdeführer eine der Eigentümerin gegenüber im zivilrechtlichen Sinne wirksame Sperrung der Strasse vornehmen konnte. Ausschlaggebend ist, ob er die Betroffenen jeweils über die Lawinengefahr informierte und in diesem Sinne die Strasse sperrte, was der Fall war. Ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass der Beschwerdeführer geplant hatte, eine Lawinensprengung vorzunehmen. Gestützt auf die erwähnten Umstände geht die Vorinstanz zu Recht von einer faktischen Übernahme der Garantenstellung aus (E. 1.4.2).
Die weiteren Erwägungen befassen sich mit der Vorhersehbarkeit, der Vermeidbarkeit und der hypothetischen Kausalität. Die mangelnden Ausführungen der Vorinstanz zur “Voraussehbarkeit des Lawinenniedergangs” führten zur Gutheissung der Beschwerde:
Die Frage der Voraussehbarkeit des Lawinenniedergangs muss aus der Sicht des Verantwortlichen für die Lawinensicherheit im Zeitpunkt vor dem Unfall beantwortet werden (BGE 138 IV 124 E. 4.4.1 mit Hinweis). Aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer die Forststrasse ganztags sperrte, schliesst die Vorinstanz offenbar, dass er die Lawinensituation einwandfrei beurteilt hat respektive dass die Lawinengefahr für ihn voraussehbar war. Die vorinstanzliche Annahme wird weder näher begründet noch wird diesbezüglich eine Beweiswürdigung vorgenommen. Mit dem Einwand des Beschwerdeführers, es habe keine Verpflichtung bestanden, die Strasse bereits am Morgen zu sperren, befasst sie sich nicht. Sämtliche Beweisanträge in Zusammenhang mit der Vorhersehbarkeit der Lawinengefahr weist die Vorinstanz ab. Sie setzt sich weder mit dem Lawinenbulletin noch mit den Feststellungen des Gutachtens des WSL-Instituts für Schnee- und Lawinenforschung SLF vom 24. Januar 2013 auseinander. Dies wäre erforderlich gewesen, um festzulegen, worin die “gebotene Handlung” respektive die konkreten Pflichten des Beschwerdeführers bestanden. Weiter zieht die Vorinstanz die im Notfallkonzept festgelegten Handlungsdirektiven nicht in die Beurteilung mit ein. Indem die Vorinstanz auf wesentliche Einwände des Beschwerdeführers nicht eingeht, verletzt sie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör. Ohne eine Beweiswürdigung vorzunehmen, durfte sie nicht darauf schliessen, der Beschwerdeführer habe die Lawinengefahr vorausgesehen. Aufgrund der mangelhaften Sachverhaltsfeststellungen sowie der fehlenden rechtlichen Ausführungen lässt sich das vorinstanzliche Urteil nicht überprüfen. Es ist daher aufzuheben und an die Vorinstanz zurückzuweisen (E. 2.3).